Vincentz-Dämmerung bei der NRW-AfD

Stand: 23.03.2025, 06:38 Uhr

Der AfD-Landeschef galt lange als "Anti-Höcke" und hatte im NRW-Verband eine Machtbasis. Vor dem Parteitag am Sonntag steht er jedoch unter Druck. Beginnt in Marl sein Stern zu sinken?

Von Christoph Ullrich

Eigentlich dürfte es bei der AfD in NRW keinen Grund zum Trübsal geben. Bei der Bundestagswahl schnitt man überdurchschnittlich gut ab, holte 16,4 Prozent der Stimmen. Zwar lag die Partei damit immer noch unter dem westdeutschen Durchschnitt von 18 Prozent.

Trotzdem holte man in Gelsenkirchen den ersten Platz bei den Zweitstimmen und stellt 26 Abgeordnete im neuen Bundestag. Für den Landesverband war das ein Erfolg. Er ist bis heute von Lagerkämpfen geprägt und die plurale Bevölkerung in NRW macht es der Partei schon seit Gründung schwer, in der Breite zu punkten - da sollte die Bundestagswahl die Grabenkämpfe beruhigen.

Vincentz ist nicht mehr unantastbar

Doch nicht mal einen Monat nach der Wahl ist von guter Laune nichts mehr zu spüren. Vor dem Landesparteitag in Marl gärt es mal wieder in der Partei. Es steht ein "Stimmungstest" über die Arbeit des Landesvorsitzenden Martin Vincentz an.

Der galt noch bis zum vergangenen Sommer als unantastbar. Aber danach häuften sich die Probleme. Funktionäre aus seinem Lager fielen mit rechtsextremen oder verschwörerischen Aussagen auf. Zudem konnte sein engster Vertrauter, der Landtagsabgeordnete Klaus Esser, große Teile seines Lebenslaufes fälschen, ohne bisher schwere Konsequenzen innerhalb der AfD zu fürchten.

Scheitert der Rauswurf von Matthias Helferich?

Seinen Gegnern haben Vorfälle dieser Art Oberwasser verschafft, auch die Basis folgt den Vorschlägen des Landeschefs nicht mehr ausnahmslos. So wurde im Januar Matthias Helferich von den Delegierten über einen sicheren Listenplatz in den Bundestag bugsiert.

Dabei sollte der rechtsextreme AfD-Politiker eigentlich nach Vincentz' Willen nicht mehr der Partei angehören. Doch ein Parteiausschlussverfahren gegen Helferich stockt, zuletzt wurden interne Protokolle bekannt, wonach die Zusammensetzung des Schiedsgerichtes im "Verfahren Helferich" bewusst mit entschlossenen Gegnern besetzt wurde.

Der Parteitenrechtler Martin Morlok sagte dem Online-Medium "Pioneer", dass sich zivilrechtlich das Verfahren somit so gut wie erledigt habe, selbst wenn die Parteigerichte Helferich rauswerfen sollten. Deren Verfahren seien "natürlich rechtsstaatlich unhaltbar", wird Morlok zitiert.

Unglückliches Agieren und umstrittene Entscheidungen

Für Vincentz ist das nicht die einzige Hiobsbotschaft der vergangenen Tage. So erregte er Unmut, als er versucht haben soll, Kay Gottschalk als NRW-Landesgruppenchef im Bundestag zu verhindern. Zwar wurde der NRW-Spitzenkandidat trotzdem zum Chef der NRW-Parlamentarierer gewählt, aber der Vorgang führte zu Friktionen.

Vor allem, weil Gottschalk und Vincentz eigentlich aus demselben Lager stammen. Nach WDR-Informationen hat der Vorgang keine weiteren Folgen, Gottschalk soll sich am Ende versöhnlich gezeigt haben.

Die Basis ist irrtiert

Für den Parteitag am Sonntag ist zudem ein Antrag auf die Tagesordnung geraten, der die Basis zusätzlich irritiert. So plant Vincentz die Einrichtung eines Generalsekretärs. Bisher gibt es diesen Posten nicht.

Er soll durch einen Vertrauten aus Vincentz' Landtagsumfeld besetzt werden. Allerdings war dieser Antrag nicht für das Treffen in Marl geplant gewesen und sei aus Versehen auf die Tagesordnung gerutscht. Dem Vernehmen nach wird der Landeschef seine Pläne zu Beginn der Sitzung zurückziehen.

Bestehen bleibt jedoch ein Antrag, der Vincentz einen Co-Landeschef an die Seite stellen soll, angeblich sei der Kölner Bundestagsabgeordnete Fabian Jacobi dazu bereit. Vincentz selber sagt auf WDR-Nachfrage, dass dies "natürlich ein Stimmungstest über ihn ist". Er glaube aber nicht, dass der Antrag durchgeht, ähnlich äußern sich auch entschiedene Gegner des Landeschefs.

Weidel geht auf Distanz zu NRW

Dass durch all das der NRW-Landesverband längst nicht mehr das akzeptierte Gegenmodell zu einer radikalisierten AfD im Osten ist, zeigt sich an der Geltung bei den Berliner Parteispitzen. In der Partei hat inzwischen Bundeschefin Alice Weidel die größte Macht. War sie zunächst eine Unterstützerin Vincentz', ist das Verhältnis merklich abgekühlt.

Deutlich wird dies wiederum an Matthias Helferich. Der Ultrarechte wurde - anders als noch 2021 - von Weidel geduldet in die Bundestagsfraktion aufgenommen. Der Dortmunder sagt über Weidel, dass er zwar hier und da Dinge inhaltlich anders als seine Parteichefin sehe.

Aber insgesamt "ist sie die richtige Spitzenfrau" und er pflege ein entspanntes Verhältnis zu ihr. Worte, die Martin Vincentz stutzig stimmen sollten. Der spricht auf Nachfrage zwar auch von einem guten Verhältnis zu Weidel. Aber er verstehe auch, wenn sie verlangt, "dass wir als Landesverband unsere Hausaufgaben selber erledigen".

Mehr als nur ein blaues Auge

Und das scheint oft genug nicht der Fall gewesen zu sein. Vincentz droht am Sonntag damit vielleicht mehr als nur ein blaues Auge im innerparteilichen Streit über den künftigen Weg der AfD.

Unsere Quellen

  • Gespräch Vincentz
  • Gespräch Helferich
  • Eigene Recherche/Informationen