AfD zur Europawahl: Wo geht's hin?

Aktuelle Stunde 29.07.2023 38:39 Min. UT Verfügbar bis 29.07.2026 WDR Von Sebastian Galle

Wie die AfD auch in NRW stillen Zulauf erhält

Stand: 28.07.2023, 12:30 Uhr

Auf dem Parteitreffen der Bundes-AfD stellt sich der NRW-Verband nicht mehr als zerstrittener Haufen dar. Doch die Entscheidung, wer aus NRW für das Europaparlament kandidieren darf, wird zur kniffligen Personalfrage.

Von Christoph Ullrich Christoph Ullrich

Die AfD feiert sich an diesem Wochenende selbst. 10 Jahre gibt es die Partei nun schon. Nach dem eher weniger bedeutsamen Parteitag am Freitag, auf dem es nicht um große inhaltliche und personelle Fragen geht, wird ab Samstag die Kandidatenliste für die Europawahl 2024 bestimmt.

AfD freut sich über Rekordwerte bei Umfragen - auch in NRW

Die Voraussetzungen für die abendliche Feier könnten besser nicht sein. Das Auftreten der Bundesregierung und der CDU im Bund bescheren der Partei Rekordwerte in den Umfragen. Auch in NRW, wo die Partei fast schon traditionell die schlechtesten Umfrage- und Wahlergebnisse hat, werden auf einmal 15 Prozent von den Umfrageinstituten gemessen: Eine Verdreifachung des Ergebnisses bei der Landtagswahl 2022.

NRW-AfD trägt keine Fehden mehr öffentlich aus

Welche Rolle dabei die Ruhe in der NRW-AfD spielt ist schwer messbar, dennoch fällt auf: Seit Martin Vincentz die Partei und die Landtagsfraktion leitet gibt es keine offenen Fehden mehr, die bis auf die tiefsten persönlichen Ebenen in den Medien und auf auf Social Media ausgetragen werden.

Interview mit AfD-Landeschef Martin Vincentz

WDR Studios NRW 28.07.2023 05:10 Min. Verfügbar bis 04.08.2025 WDR Online


AfD-Landesvorsitzender Martin Vincentz

Martin Vincentz, Landesvorsitzender der AfD in NRW

Vincentz spricht von einem "aufgeräumten Landesverband, der jetzt durchaus auch Ansprüche stellen kann!" Was er damit meint? In der Vergangenheit spielten in der Bundespartei andere Regionen eine größere Rolle, wenn es um Personalfragen ging. Das Spitzenpersonal in Berlin stammt bisher nicht aus NRW.

Wer zieht ins Europaparlament ein?

Das wird sich auch an diesem Wochenende nicht ändern. Der Spitzenkandidat für die Europawahl wird wohl nicht aus NRW kommen. Dabei wird hinter den Kulissen händeringend nach einer Alternative zu Maximilian Krah gesucht, einem skandalträchtigen AfD-Europaabgeordneten. Aktuell ist der aus Sachsen stammende Anwalt von der eigenen Fraktionsgemeinschaft im Europaparlament suspendiert, weil gegen ihn ein Betrugsverdacht besteht.

NRW-AfD orientiert sich Richtung bürgerliche Milieus

Guido Reil

Guido Reil, AfD

In NRW galt lange Zeit Guido Reil als das europapolitische Zugpferd des AfD-Landesverbandes. 2016 trat er unter bundesweiter Beachtung von der SPD über in die AfD. Der ehemalige Steiger inszenierte sich als das sozialpolitische Gewissen der AfD, wollte die Partei auch für ärmere, nicht bürgerliche Schichten attraktiv machen. 2019 zog er ins Europaparlament ein. Seitdem die Partei immer mehr von bürgerlichen Milieus profitiert, die sich von CDU und FDP abwenden, spielt Reil nicht mehr die Rolle, die er einst hatte.

Denn dort, wo man jetzt Stimmen angelt, braucht es nicht mehr zwingend einen Ex-SPDler, der im Ruhrgebiet beim Kleingartenfest auf Stimmenfang geht. Jetzt – so hört man es in der Partei hier und da - braucht es mehr Schützenzelt und damit bürgerliche Welt. Es kann bei der Listenaufstellung daher durchaus passieren, dass für Reil kein guter Listenplatz rausspringt - auch wenn er in der Partei weiter geschätzt wird.

Was geht mit der AfD? - Das Dilemma der CDU.

Was geht mit der AfD? - Das Dilemma der CDU. WDR RheinBlick 28.07.2023 32:23 Min. Verfügbar bis 26.07.2028 WDR Online

Steht die Brandmauer zwischen CDU und AfD noch? Gab es sie überhaupt jemals, und wenn ja: wie sieht sie eigentlich genau aus? Darüber streitet die CDU derzeit heftig, und auch über die Frage, ob es "erlaubte" und "nicht mehr erlaubte" Formen der Zusammenarbeit gibt. Was das alles für die CDU und ihre Wähler bedeutet, darüber spricht Daniela Junghans mit Wolfgang Otto und Christoph Ullrich.


Christian Blex kann sich Chancen ausrechnen

Anders sieht das für Christian Blex aus. Vor einem Jahr flog er aus der Landtagsfraktion, weil er unter anderem mit einem ultrarechten Parteikollegen über Russland in die Ostukraine reisen wollte. In der Partei blieb er aber, wurde sogar Schatzmeister, was einer stillen Rehabilitation sehr nah kommt. Jetzt könnte für ihn der Weg ins Europaparlament geebnet werden. Eine Art Dankesgeste dafür, dass Blex – trotz seiner Skandale – eine wichtige Rolle für den internen Frieden spielt: Er hält den ultrarechten Parteiflügel zusammen und steht gegen Leute, die noch weiter rechts der politischen Skala stehen als er selber.

Rechte Kandidatin bedroht internen Frieden

Das Lager um den Dortmunder AfD-Mann Matthias Helferich hingegen protegiert eine Kandidatin, welche für die Partei den aktuellen Frieden unmittelbar bedrohen würde. Irmhild Boßdorf war lange Zeit Pressesprecherin der NRW-AfD und hat die Unterstützung großer Teile der Jungen Alternative. Allerdings werden ihr Kontakte zur rechtsextremen Identitären Bewegung nachgesagt. In den Wochen vor dem Parteitag machte sie parteiintern offensiv Werbung für sich und inszeniert sich als Mutter und Großmutter, die sich für den "Kulturraum Europa und dessen Identität" einsetzen wolle, um gegen den "Great Reset" zu kämpfen. In ultrarechten und verschwörungstheoretischen Kreisen wird diese Chiffre häufig als Synonym dafür benutzt, dass politische Eliten mithilfe der Corona-Pandemie und gezielter Migration ihre Macht ausbauen wollten.

NRW-AfD will wichtigere Rolle in den Kommunen spielen

Solche Kandidaturen sind nicht wenigen in der NRW-AfD ein Dorn im Auge. Sie würden unmittelbar das Schlaglicht auf die immer noch vorhandenen Probleme der AfD lenken und bürgerliche Schichten eher abschrecken. Die braucht es aber, um zum Beispiel im Kommunalen überhaupt in die Lage zu kommen, eine relevante Größe zu erlangen. Noch ist die Partei in NRW nämlich nirgends so stark, dass man auf ihre Stimme angewiesen ist. Das weiß Parteichef Vincentz. Es sei zwar mit Blick auf die CDU "ganz nett mal einer anderen Partei dabei zuzusehen, wie sich streitet", aber man müsse das dann auch nutzen, so Vincentz weiter.

Über dieses Thema berichtet der WDR u.a. im Westblick und in der Aktuellen Stunde am 28. Juli 2023.

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