Neue Zahlen: Fast 300 Brücken in NRW müssen dringend saniert werden

Stand: 24.02.2023, 12:21 Uhr

Jahrzehntelang hat die Politik lieber neue Brücken gebaut als den Bestand in Schuss zu halten - das rächt sich nun. Der Sanierungsstau ist erheblich.

Von Tobias ZacherTobias Zacher

In Nordrhein-Westfalen sind hunderte Brücken, die in die Zuständigkeit des Landes fallen, dringend sanierungsbedürftig. Das geht aus neuen Zahlen des Landesverkehrsministeriums hervor.

Demnach müssen allein 205 Brücken an Landes- und Bundesstraßen aufgrund ihres schlechten Zustands vollständig abgerissen und neu gebaut werden. Weitere 69 müssen in Stand gesetzt und 22 Brücken verstärkt werden. Allein für diese Brücken beziffert das Ministerium den Sanierungs- und Erhaltungsbedarf auf gut 1,8 Milliarden Euro.

Sanierungsstau ist erheblich

Diese Zahlen, die das Land am Freitag erstmals öffentlich machte, bedeuten einen erheblichen Sanierungsstau. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hat der zuständige Landesbetrieb Straßen.NRW gerade einmal 64 Brücken saniert - sie also entweder verstärkt, in Stand gehalten oder neu gebaut. Dafür gab das Land gut 70 Millionen Euro aus. Für das aktuelle Jahr sind 67 Maßnahmen mit einem Volumen von knapp 100 Millionen Euro geplant. In die Zuständigkeit des Landes fallen 6.422 Brücken, davon 2.583 im Zuge von Bundesstraßen und 3.839 im Zuge von Landesstraßen.

Krischer: "Jahrzehntelang zu wenig gekümmert"

"Wir haben uns jahrzehntelang zu wenig um die vorhandene Infrastruktur gekümmert und zu viel auf den Neubau geschaut. Das holt uns jetzt mit kaputten Brücken ein", sagte Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne). "Ein großer Teil der Brücken in Nordrhein-Westfalen wurde in den 60er und 70er Jahren gebaut und wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten voraussichtlich einen vermehrt schlechteren Zustand aufweisen und deshalb saniert oder neu gebaut werden müssen", so Krischer.

Oliver Krischer im Porträt

NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne)

Verschärft wird das Problem durch den Umstand, dass die Brücken - wie in den 1960 bis 1980er Jahren üblich - häufig materialsparend gebaut wurden. Dadurch haben sie nur wenige statische Reserven. "In Kombination mit den heutigen wesentlich höheren Verkehrslasten und -mengen ergeben sich Defizite, die bei vielen Bauwerken auch mit den seinerzeitig eingerechneten Sicherheiten nicht mehr vollständig zu kompensieren sind", sagte Petra Beckefeld, die Technische Direktorin von Straßen.NRW.

LKW werden immer zahlreicher - und schwerer

Zum schlechten Zustand beigetragen haben demnach vor allem LKW: Der Gütverkehr auf der Straße hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Neben der Anzahl der Lastwagen hat auch deren Gewicht zugenommen: Die zulässigen maximalen Achslasten und Gesamtgewichte sind über die Jahrzehnte immer weiter erhöht worden. Beides zusammen führt seit Jahren zu einer Belastung der Brücken, die die Annahmen zum Zeitpunkt ihres Baus bei Weitem übertreffen.

Vor gut zehn Jahren wurden diese Probleme erstmals ins breite Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt - damals wurde die Leverkusener Rheinbrücke der A1 für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen gesperrt. Vor gut einem Jahr erlangte die Sperrung der Rahmedetalbrücke der A45 ebenfalls größere Aufmerksamkeit.

SPD kritisiert Grünen-Verkehrsminister

Die Opposition will die aktuelle Landesregierung dennoch nicht aus der Verantwortung entlassen. "Statt anzupacken scheint sich Minister Krischer Probleme nur anzuschauen. Sein eigenes Haus hat schon im Januar von etwa 200 Brücken in NRW berichtet, die neu gebaut werden müssen", kritisierte der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Gordan Dudas. Er forderte vom Verkehrsminiser einen Masterplan für funktionsfähige Brücken. "Dieser muss langfristig angelegt sein, um beim Sanierungsstau dauerhaft vor die Lage zu kommen. Ankündigungen für dieses Jahr und einzelne Bauwerke genügen nicht", so Dudas.

Zusätzlich 873 marode Brücken-Teile an Autobahnen

Vor Wochen war bereits bekannt geworden, dass darüber hinaus 873 Brücken-Teilbauwerke im Zuge von Autobahnen besonders sanierungsbedürftig sind. Diese Fallen in die Zuständigkeit der Autobahm GmbH des Bundes. "Die Sanierung und der Erhalt unserer Infrastruktur sind entscheidend für die Zukunft unseres Landes. Hier muss der Bund die Prioritäten setzen", betonte NRW-Verkehrsminister Krischer in Richtung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Hintergrund der Bemerkung ist ein grundsätzlicher Streit zwischen Grünen und FDP im Bund: Dort wollen Wissing und seine FDP auch Neu- und Ausbauten von Autobahnen vorantreiben. Angesichts der Klimakrise und des schlechten Zustands im Bestand wollen die Grünen dagegen das Geld und die Kapazitäten vor allem in den Erhalt stecken. Beide Parteien regieren im Bund gemeinsam mit der SPD unter Bundeskanzler Olaf Scholz.

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