Krankenhäuser warnen vor dramatischer Finanznot: "Alarmstufe dunkelrot"
Stand: 11.09.2023, 12:53 Uhr
Bund und Länder planen eine Krankenhausreform. Doch bis die wirkt, dauert es wohl noch Jahre. Inflation und Lohnsteigerungen verschärfen derweil die Finanznot der Kliniken - und die schlagen Alarm.
Von Martin Teigeler
Allein in Nordrhein-Westfalen gab es 2023 bereits acht Klinik-Insolvenzen. Diese Zahl nannte am Montag in Düsseldorf Ingo Morell, Chef der Krankenhausgesellschaft NRW. Bundesweit seien es in diesem Jahr schon 40 Insolvenzen - mit stark steigender Tendenz.
Ingo Morell, Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft NRW
Angesichts der Finanznot forderte Morell den Bund auf, die Kliniken von Kosten durch Inflation und Tariferhöhungen des Personals zu entlasten. Denn zugleich liefen staatliche Hilfen wegen Corona und Ukraine-Krieg aus. "Wir brauchen ein Signal aus Berlin", sagte der Präsident der Krankenhausgesellschaft in NRW.
"Dramatische Situation"
Morell warnte vor einer "dramatischen Situation" und sprach von einer "dunkelroten" Alarmstufe. Die Grundsatzeinigung auf eine geplante Krankenhausreform nütze den Klinken in der aktuellen Krise nichts. Möglichst schnell bräuchten die Krankenhäuser mehr Geld, um die drohenden Verluste - teils im zweistelligen Millionenbereich - zu kompensieren.
Der Krankenhaus-Lobbyvertreter brachte zur Pressekonferenz im Landtag einen SPD-Kommunalpolitiker mit, der die Dramatik der Situation vor Ort schilderte. Jürgen Müller, Landrat des Kreises Herford, forderte seine Parteifreunde im Bund auf, ihr bisheriges Nein zu mehr Geld für die Kliniken zu überdenken. Der Anstieg der Betriebskosten müsse sofort ausgeglichen werden, sonst drohten weitere Insolvenzen.
SPD-Landrat fordert Bewegung von Lauterbach
SPD-Landrat Jürgen Müller fordert Hilfe aus Berlin
SPD-Mann Müller zeigte sich enttäuscht über die bisherige Linie seiner Partei im Bund. Sein Genosse, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), sagt seit Monaten, dass man nicht "immer weiter große Summen in das System bringen" könne. Zugleich räumte er ein, dass es Krankenhausschließungen geben wird. Er hoffe auf Bewegung bei Lauterbach, so Müller.
Morell, dessen Gesellschaft 340 Krankenhäuser in NRW vertritt, sprach von einer "kalten Strukturreform". Wie viele weitere Kliniken noch in diesem Jahr in Pleitegefahr geraten könnten, wollte er nicht schätzen. Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein und langjähriger Gesundheitsexperte der CDU, warnte vor "Engpässen in unterversorgten Gebieten".
Gesetzliche Hilfen reichten nicht aus
Die Krankenhausesellschaft legte Beispielzahlen vor: Das Klinikum Lippe mit 1.200 Betten erwartet nach einem Plus in 2022 demnach für 2023 ein Minus von 7,6 Millionen Euro. Ohne Hilfe des Bundes werde das Defizit auf 15 Millionen Euro steigen. Die Sachkosten seien seit 2022 um 13 Prozent gewachsen, 2024 würden nochmal 8 Prozent höhere Kosten erwartet. Der gesetzlich gedeckelte Anstieg der Vergütung betrage aber nur 4,32 Prozent.
Mit einer Kundgebung vor dem Düsseldorfer Landtag am 20. September wollen Beschäftigte der Kliniken auf die Notlage der Krankenhäuser hinweisen. Klinikverband-Präsident Morell sagte: "Der Ärger und die Anspannung in den Krankenhäusern sind groß." Es gehe nicht um Nothilfen, sondern um eine verlässliche Finanzierung.
Investitionen in Krankenhäuser seien Ländersache, teilte der SPD-Gesundheitsexperte im Landtag, Thorsten Klute, mit. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) mache hier viel zu wenig. Die aktuelle Finanzsituation vieler Krankenhäuser dürfe nicht zu einem "ungeordneten Kliniksterben" führen.
Unsere Quellen:
- Morell, Müller und Henke auf PK der Krankenhausgesellschaft NRW in Düsseldorf
- Lauterbach-Aussage aus dem Juli im Deutschlandfunk-Interview
- Klute laut Mitteilung der SPD-Landtagsfraktion