Kommentar: Ein deutliches und einmütiges Zeichen
Stand: 25.10.2023, 16:31 Uhr
Der Landtag hat den Terror der Hamas verurteilt und seine Solidarität mit Jüdinnen und Juden zum Ausdruck gebracht. Das klare Bekenntnis des Parlaments sei ein notwendiger, aber sicher noch kein hinreichender Schritt, kommentiert Jochen Trum.
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Seit sechs Jahrzehnten pflegt Nordrhein-Westfalen enge Beziehungen zu Israel. Alle Regierungen, alle Ministerpräsidenten, das Parlament, haben sich um dieses besondere Verhältnis bemüht. Von Sport bis Kultur, von Schüleraustausch bis Städtepartnerschaft. Das Land unterhält ein eigenes Büro in Tel Aviv.
"Wir müssen der Verantwortung gerecht werden, von der wir seit Jahrzehnten reden", sagte SPD-Fraktionschef Jochen Ott heute. Recht hat er. Denn wenn die Rede von Israels Existenz als Teil der deutschen Staatsräson kein frommer Spruch, sondern politische Realität sein soll, dann steht dem Land jetzt eine Bewährungsprobe bevor.
"Nie wieder ist jetzt"
Es ist gut, dass der Landtag ein so deutliches, so einmütiges Zeichen gesetzt hat. Fraktionsübergreifend. Den Terror der Hamas hat er verurteilt, die Solidarität, das Mitgefühl mit Jüdinnen und Juden zum Ausdruck gebracht, dem Antisemitismus hierzulande die Stirn geboten. "Nie wieder ist jetzt", brachte es Ministerpräsident Hendrik Wüst auf den Punkt.
Eine der Erkenntnisse dieser Tage ist aber auch, dass der Politik so manche integrationspolitische Selbsttäuschung der Vergangenheit auf die Füße fällt. Die Grüne Verena Schäffer sprach von einer "bitteren" Erkenntnis. Es ist richtig, Antisemitismus war in der Bundesrepublik nie weg, aber so aggressiv wie jetzt war er selten. Allen Bemühungen, auch den politischen, zum Trotz. Deswegen ist CDU-Fraktionschef Thorsten Schick zuzustimmen, wenn er von Scham spricht angesichts der Hamas-Verherrlichung auf deutschen Straßen.
Etwas laue Bekundungen aus der Zivilgesellschaft
Die Solidaritätsbekundungen aus der Zivilgesellschaft, misst man sie an der öffentlichen Anteilnahme zu anderen Zeiten, nach anderen Terrorattacken, wirken noch etwas lau. Da ist ein klares Bekenntnis des Parlaments ein notwendiger, aber sicher noch kein hinreichender Schritt.
Der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, hat gleich zweimal, Anfang der letzten und Anfang dieser Woche, den großen Islamverbänden mit - sagen wir - freundlichem Nachdruck dabei geholfen, den Terror öffentlich klar zu verurteilen. Und sich an die Seite der hier lebenden Menschen jüdischen Glaubens zu stellen. Dieser couragierten Initiative bedurfte es offensichtlich und es ist gut, dass das Parlament sich heute ausdrücklich dahinter versammelt hat. Damit ist klar: Das war kein Vorstoß der Regierung oder einer Partei, nein, das sieht die Politik im Land insgesamt so.
Der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat und die Gesellschaft, das ahnten viele heute im Landtag, werden gefordert sein. Bei der inneren Sicherheit, in der Migrations- und Integrationspolitik, vor allem aber auch im Schulunterricht. Und auch, man denke an die letzte Documenta, bei der Kultur. FDP-Chef Henning Höne formulierte ein konkretes Ziel: "Wir wollen darauf hin arbeiten, dass der Schutz jüdischer Einrichtungen eines Tages nicht mehr nötig ist." Ein solches Ziel ist wahrlich alle politische Mühe wert.