NRW bekommt einen Polizeibeauftragten

Aktuelle Stunde 13.06.2024 33:00 Min. UT Verfügbar bis 13.06.2026 WDR Von Beate Becker

CDU und Grüne einigen sich auf neuen Polizeibeauftragten

Stand: 13.06.2024, 14:16 Uhr

Nordrhein-Westfalen soll einen unabhängigen Polizeibeauftragten bekommen. Das hatten CDU und Grüne verabredet. Nun gibt es einen ersten Gesetzentwurf, der dem WDR exklusiv vorliegt.

Von Daniela JunghansDaniela Junghans

Die Freude ist der Grünen-Landtagsabgeordneten Julia Höller deutlich anzumerken. 15 Jahre habe ihre Partei für die Einrichtung eines unabhängigen Polizeibeauftragten in NRW gekämpft, sagt die Innenpolitikerin, nun werde der Plan endlich umgesetzt. Und das ausgerechnet in einer Koalition mit der CDU, die eigentlich immer dagegen war.

Unabhängiger Polizeibeauftragter für NRW

02:35 Min. Verfügbar bis 13.06.2026


Direkt dem Landtagspräsdidenten unterstellt

Der neue Polizeibeauftragte soll vom Landtag gewählt werden, für jeweils fünf Jahre. Und er soll auch organisatorisch dort angedockt werden, direkt beim Landtagspräsidenten. Er kann also unabhängig von Polizei- und Justizstrukturen arbeiten. Gleichzeitig darf er aber Akten einsehen und Beteiligte befragen.

An ihn und seine Mitarbeiter können sich Bürgerinnen und Bürger wenden, die sich von der Polizei ungerecht behandelt fühlen. Dabei kann es um verbale Auseinandersetzungen gehen, aber auch um den Ablauf von Polizeieinsätzen oder Fälle von Polizeigewalt.

Julia Höller (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im Plenum des Landtags zum Thema tödliche Gefahren durch Messerattacken.

Grünen-Innenpolitikerin Julia Höller

Der Polizeibeauftragte soll die Angelegenheit dann neutral überprüfen und am Ende auch bewerten. Komme er zu dem Schluss, dass es ein Fehlverhalten durch Polizisten gab, könne er zum Beispiel die Vorgesetzten des jeweiligen Beamten informieren und auch Konsequenzen fordern, sagt Julia Höller. Und wenn es strafrechtlich relevant sei, könne er auch "gemeinsam mit der betroffenen Person eine Strafanzeige stellen".

Bislang können sich Bürger bei der Polizei selbst beschweren und auch Anzeige erstatten, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Doch nicht immer trauen sich die Betroffenen, diesen Weg zu gehen - zum Beispiel aus Misstrauen oder Angst vor möglichen Reaktionen der Polizisten. Mehr als 90 Prozent der Verfahren, in denen gegen Polizeibeamte ermittelt wird, werden von den Staatsanwaltschaften eingestellt.

Auch für Polizisten zuständig

Der neue Polizeibeauftragte soll aber nicht nur Ansprechpartner für Bürger sein, sondern auch für Polizistinnen und Polizisten. Die haben zwar auch jetzt schon einen eigenen Polizeibeauftragten, der ist aber im Innenministerium angesiedelt. Sein Job soll künftig wegfallen. Polizisten, die zum Beispiel über Probleme in ihrer Einheit sprechen wollen, sollen damit dann auch zum neuen Polizeibeauftragten gehen können, ohne Sorge vor möglichen dienstlichen Konsequenzen.

Herbert Reul neben einem Fahrzeug der Polizei auf dem Münsterplatz in Bonn (Archivbild).

NRW-Innenminister Herbert Reul

Innenminister Herbert Reul hätte auch gut mit dem Status Quo leben können, also dem bisherigen Polizeibeauftragten in seinem Ministerium. Den habe er schon vor Jahren eingerichtet, als Ansprechpartner für die Beamten. Dass der jetzt wegfällt und es dafür die neue Stelle beim Landtag geben soll, nimmt Reul aber sportlich. Getroffene Verabredungen müsse man einhalten, betont er mit Verweis auf den Koalitionsvertrag. Außerdem hätten die Grünen "Kompromisse eingehen müssen, dann müssen wir das auch!"

Umsetzung erst nach der Sommerpause

Bis der Landtag den ersten Polizeibeauftragten wählen kann, wird es allerdings noch etwas dauern. CDU und Grüne wollen den Gesetzentwurf im Juli in den Landtag einbringen. Dann sollen neben den Abgeordneten auch noch Experten über das Papier diskutieren. Die ersten Reaktionen auf den jetzt vorgestellten Entwurf sind sehr unterschiedlich.

Polizeigewalt: Bleibt der NRW-Polizeibeauftragte zahnlos?

Westpol 26.05.2024 05:25 Min. UT DGS Verfügbar bis 26.05.2029 WDR

Gemischte Reaktionen

Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt die geplante Einrichtung des neuen Polizeibeauftragten. Ina Blumenthal, die parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, betont, wie wichtig es sei, "dass der oder die Polizeibeauftragte beim Landtag angesiedelt wird, damit er oder sie auch vollumfänglich und unabhängig agieren kann".

Taser bei der Polizei

FDP-Innenpolitiker Marc Lürbke

Auch die FDP findet einen unabhängig arbeitenden Polizeibeauftragten grundsätzlich gut. Dessen geplante Befugnisse findet Marc Lürbke, der innenpolitische Sprecher der Fraktion, allerdings problematisch. Er kritisiert, dass Schwarzgrün "mutmaßlich eine eigene Ermittlungsinstanz schaffen möchte". Das zeige "ihr offenbar großes Misstrauen – nicht nur gegenüber den Polizeibeamten, sondern auch gegenüber unseren Staatsanwälten."

Deutlich stärkere Kritik kommt von der AfD. Sie sieht keine Notwendigkeit für den geplanten neuen Polizeibeauftragten. "Wir halten das vorhandene Beschwerdemanagement, mit der Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde oder der Klage für vollkommen ausreichend", betont der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Markus Wagner. Außerdem gebe es ja bereits einen beim Innenministerium angesiedelten Polizeibeauftragten.

Weitere Themen