Politische Beobachter vermuteten im Herbst 2018 einen Vorwand, als sie hörten, womit die Behörden die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Wald begründeten: Es gebe Brandschutzmängel, es sei Gefahr im Verzug. Die Häuser müssten geräumt werden, wenn nicht freiwillig durch die Bewohner, dann durch die Ordnungsbehörden und mit Hilfe der Polizei.
Genau diese Räumung hatten die Ordnungsbehörden der Stadt Kerpen und der Gemeinde Merzenich noch Anfang August abgelehnt. Und nun, einen Monat später, gab es plötzlich einen Sinneswandel?
RWE hatte im Juli 2018 die Räumung beantragt, weil der Konzern in der Rodungssaison ab Oktober mit der Fällung der Bäume beginnen wollte.
Gesucht, gefunden
"Die haben etwas gesucht", raunte man sich im politischen Düsseldorf zu, "und nun haben sie es gefunden". Die, das waren die Behörden: Polizei, Ordnungsämter, auch das Innen- und das Bauministerium waren beteiligt. Das, was sie gefunden hatten, war der rechtliche Hebel, um einen der größten und umstrittensten Polizeieinsätze in der Geschichte des Landes NRW zu begründen.
Nun legt ein Schreiben des NRW-Bauministeriums nahe, dass der Verdacht, hier sei gezielt nach einem passenden Paragrafen gefahndet worden, nicht ganz unbegründet sein könnte. Das Schreiben, um das es geht, ist die Antwort von Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion.
Anwaltskanzlei beauftragt
Aus der Antwort geht hervor, dass das Innenministerium im August 2018 eine Anwaltskanzlei aus Münster mit einem Rechtsgutachten beauftragte: 32.582 Euro wurden gezahlt, um die Frage zu klären, wie die Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden und die der Polizei voneinander abzugrenzen sind.
"Im weiteren Verlauf erstreckte sich die Prüfung dann darauf, nach welchen Anspruchsgrundlagen und unter welchen Voraussetzungen die Ordnungsbehörden tätig werden können", heißt es in der Antwort der Bauministerin.
Am 27. August gab es eine behördliche Begehung. Mit dabei: das Bauministerium. Und bei dieser Begehung wurden die Brandschutzmängel festgestellt. Am 18. September begann die Räumung der Baumhäuser und deren Abriss.
"Die Räumung", so schlussfolgert die grüne Landtagsabgeordnete Wibke Brems, "war also von RWE bestellt und die Landesregierung machte alles möglich, um diesen Wunsch zu erfüllen".