Gegen Demokratie und die Verfassung: "Reichsbürger"
05:00 Min.. Verfügbar bis 29.04.2026.
"Reichsbürger": So gefährlich sind sie in NRW
Stand: 29.04.2024, 13:26 Uhr
In Stuttgart hat der Strafprozess gegen mutmaßliche Angehörige der Szene begonnen. Auch in NRW gibt es laut Verfassungsschutz rund 3.400 "Reichsbürger". Was steckt hinter ihrer Ideologie?
Von 
Martin Teigeler
Wuppertal, Januar 2024: Bei der Durchsuchung des Anwesens eines mutmaßlichen "Reichsbürgers" stellten Spezialeinsatzkräfte der Polizei zahlreiche Waffen und Munition sicher. Auf einem Foto, das die Polizei veröffentlichte, waren allein 18 Lang- und Kurzwaffen zu sehen. Außerdem fanden die Beamten reichlich Munition - und zwar laut Staatsanwaltschaft in Kalibern, die man für Jagdwaffen nicht gebrauchen könne.
Behörden fürchten "schwere Gewalttaten"
Der Wuppertaler Fall zeigt, dass "Reichsbürger" offenbar auch in Nordrhein-Westfalen eine Gefahr darstellen. In den letzten Jahren gingen die Sicherheitsbehörden von etwa 3.400 Reichsbürgern in NRW aus.
Im aktuellen NRW-Verfassungsschutzbericht hieß es: "Das Zusammenwirken von Rechtsextremisten, Reichsbürgern und Delegitimierern in terroristischen Gruppierungen zeigt, dass sich Teile der verschiedenen extremistischen Szenen, trotz ideologischer Differenzen, gleichsam im Widerstand sehen und deshalb schwere Gewalttaten als notwendig und gerechtfertigt erachten."
Neun mutmaßliche "Reichsbürger" der Gruppe um den Adeligen Heinrich XIII. Prinz Reuß müssen sich ab diesem Montag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verantworten. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen und die sogenannte "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens". Weitere Strafprozesse gegen "Reichsbürger" starten demnächst.
Was sind "Reichsbürger"?
Reichsbürger, auch Souveränisten genannt, "glauben daran, dass die Bundesrepublik Deutschland kein Staat sei, sondern eigentlich in den Händen einer bösartigen Verschwörung" sei, sagte der Politikwissenschaftler und Extremismusforscher Jan Rathje vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie im WDR-Interview. Und diese Verschwörung verfolge den "Reichsbürgern" zufolge das Ziel, die "deutsche Bevölkerung oder die Eigengruppe dieser Personen auslöschen zu wollen". Die Ideologie setze auf Gewalt als "Legitimation durch Notwehr".
In der heterogenen "Reichsbürger"-Szene griffen "einige Akteure auf antisemitische Motive und Narrative zurück", so der NRW-Verfassungsschutz: "So wird die Bundesrepublik als Instrument einer vermeintlichen jüdischen Beherrschung Deutschlands dargestellt."
Grüne sieht Zusammenhang mit AfD-Umfragewerten
Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im NRW-Landtag, Verena Schäffer, sagte am Montag dem WDR: "Von der Reichsbürger-Szene geht eine ernstzunehmende Gefahr für unsere Demokratie aus. Die Reichsbürger erkennen den Staat nicht an, schmieden Umsturzpläne und horten Waffen." Die "rechtsterroristische Gruppe" um Prinz Reuß sei deshalb so gefährlich, weil auch Personen aus Militär und Sicherheitsbehörden eine entscheidende Rolle spielten.
Durch die hohen Umfrage-Werte der AfD "könnten sich weitere Reichsbürger in ihrer rassistischen, antisemitischen und menschenverachtenden Ideologie bestätigt fühlen und eine Legitimation für ihre Taten sehen", sagte die Grünen-Politikerin. Daher bleibe die Beobachtung durch den Verfassungsschutz sowie der hohe Ermittlungsdruck von Polizei und Justiz wichtig.
Vier Gewaltdelikte in NRW aufgeklärt
Die Anzahl der Gesamtstraftaten im Zusammenhang mit Reichsbürgern und sogenannten Selbstverwaltern ist laut Verfassungsschutz 2023 in NRW im Vergleich mit dem Vorjahr von 77 auf 56 Taten um 27,3 Prozent gesunken. "Unter diesen Taten sind vier Gewaltdelikte zu verzeichnen. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem deutlichen Rückgang (2022:12). Alle vier Gewaltdelikte wurden 2023 aufgeklärt", hieß es im Bericht.
Der Rückgang könnte auch damit zusammenhängen, dass die Polizei den Druck auf die "Reichsbürger"-Szene in letzter Zeit erhöht hat. So teilte zum Beispiel die Polizei Bielefeld Mitte April mit, dass das "gesamte vorhandene Personenpotenzial erneut überprüft und unter anderem persönlich aufgesucht" wurde.
