"Reviervertrag 2.0" mit mahnenden Worten besiegelt
Stand: 30.05.2023, 20:11 Uhr
In Mönchengladbach ist heute der vorgezogene Kohleausstieg und der Wandel im Rheinischen Revier besiegelt worden. NRW-Ministerpräsident Wüst mahnte dabei mehr Tempo an - und sieht die Zukunft im Wasserstoff.
Von Rainer Striewski
Dass das Ende der Braunkohleförderung in NRW kommt und das Rheinische Revier vor einem massiven Strukturwandel steht, ist schon länger klar. Doch durch den vorgezogenen Kohleausstieg von 2038 auf 2030 wächst der zeitliche Druck, dass das Mammutprojekt auch gelingt.
In Mönchengladbach haben dafür Vertreter der Landesregierung und der Region den "Reviervertrag 2.0" unterzeichnet. Er löst den 2021 geschlossenen Vorgängervertrag ab. Darin war noch 2038 als Ausstiegsdatum festgeschrieben.
Wüst: "Niemand fällt ins Bergfreie!"
"Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir brauchen mehr Tempo", betonte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bei der Unterzeichnung. Den vom Strukturwandel betroffenen Beschäftigten sicherte er dabei Unterstützung zu: "Niemand fällt ins Bergfreie!". Mit dem Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 leiste das Rheinische Revier "einen herausragenden Beitrag zum Klimaschutz".
Wüst: "Sind mit Vertrag auf richtigem Weg"
Die Zukunft sieht Wüst im Wasserstoff. Während viele Regionen in NRW derzeit Wasserstoffregion werden wollten, wäre das Rheinische Revier schon einen Schritt weiter: "Das Rheinische Revier ist nicht nur interessiert wie alle anderen, sondern schon auf dem Weg zur Spitze", erklärte Wüst und verwies unter anderem auf Forschungen etwa im Forschungszentrum Jülich, die mit 860 Millionen Euro vom Bund gefördert werden. "Viele wollen noch werden, was hier schon entsteht: Die starke Wasserstoffregion in Deutschland", betonte Wüst.
Mehr Tempo bei Planung und Genehmigung
Allerdings müssten die Projekte schneller förderreif sein, vieles müsse ineinandergreifen. "Und genau das regelt dieser Vertrag", erklärte Ministerpräsident Wüst. Dabei mahnte er auch Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit der Bundesregierung an, etwa eine eigenständige Förderrichtlinie, die Investitionen ermöglicht. "Das Klinkenputzen in den Berliner Ministerien muss ein Ende haben", so Wüst. Zudem fordert er mehr Tempo bei Planung und Genehmigung der Schieneninfrastruktur sowie ein flexibleres Investitionsgesetz, damit die Mittel "dann fließen können, wenn sie hier vor Ort gebraucht werden".
"Wir müssen schneller werden", betonte auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der per Video zur Vertragsunterzeichnung zugeschaltet war. Der Aufbau eines Wasserstoffnetzes und entsprechender Kraftwerke müsse bis 2030 gelingen. "Es kann auch eine Chance darin liegen, sich schneller von dem zu lösen, von dem wir uns sowieso hätten lösen müssen", erklärte Habeck. "Strukturwandel heißt auch, dass etwas Neues aufgebaut wird."
Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) lobte den Vertrag als "großen Erfolg". "Auch unter der Bedingung des vorgezogenen Kohleausstiegs haben wir uns auf eine gute Grundlage für ein gemeinsames entschlossenes Handeln verständigt."
IHK Köln macht nicht mit
Das sehen nicht alle so: "Der Vertrag ist ein Kompromiss", erklärte die SPD-Beauftragte für das Rheinische Revier, Lena Teschlade. "Ich habe den Vertrag heute unterzeichnet, weil wir als SPD-Fraktion auf Kooperation und Ermöglichung setzen." Jetzt müssten Ministerpräsident Wüst und Wirtschaftsministerin Neubaur aber erst einmal beweisen, dass sie es mit neuen Arbeitsplätzen und einer nachhaltigen Industrie auch wirklich ernst meinten, so Teschlade. "Der Ausstieg der IHK Köln hat gezeigt, dass das Vertrauen nicht besonders groß ist."
Kölner IHK-Präsidentin Nicole Grünewald
Denn die IHK Köln hat den Vertrag nicht unterschrieben. Sie zweifelt am neuen Zeitplan. Schon der Kohlekompromiss bis 2038 wäre ambitioniert gewesen. "Wir haben uns sehr darüber gewundert, dass das auf einmal um acht Jahre vorgezogen wurde", erklärte IHK-Präsidentin Präsidentin Nicole Grünewald gegenüber dem WDR.
"Wir sind natürlich für die Energiewende, für die Transformation der Wirtschaft und auch für den Kohleausstieg. Aber wir sind auch für ein realistisches Datum", betonte Grünewawald. "Warum sollten wir einen Vertrag unterschreiben, wenn wir jetzt schon wissen, dass das nicht zu schaffen ist? Da machen wir nicht mit."
Fast 15 Milliarden Euro zu verteilen
Darüber hinaus gibt es Zweifel, ob die versprochenen Fördergelder auch sinnvoll eingesetzt werden. Die Bundesregierung stellt dem Rheinischen Revier in den kommenden zwei Jahrzehnten insgesamt 14,8 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Damit sollen zahlreiche Projekte finanziert werden, um nach dem Kohle-Aus wirtschaftliche Alternativen zu schaffen.
Proteste in Düsseldorf
Auch wenn der frühere Kohleausstieg im Sinne vieler Klimaaktivisten sein dürfte, hat am Dienstag ein Bündnis aus Umweltverbänden, Klimaaktivisten und kirchlichen Gruppen gegen die Braunkohlenpolitik der Landesregierung protestiert. In Düsseldorf malten sie in der Nähe der Staatskanzlei die Botschaft "1,5 Grad-Ziel statt Kohle-Deal" auf die Rheinuferpromenade.
"Dieser Reviervertrag ist nicht unserer", erklärte Dirk Jansen vom BUND in NRW. "Die ganze aufgefahrene Politprominenz und die bunten Bilder von der Unterzeichnung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Weichenstellungen nicht ausreichen, um das Braunkohlenrevier zukunftsfähig aufzustellen."