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Rolle rückwärts: Diese Minister tauschen Hybridautos gegen Verbrenner
Stand: 18.02.2025, 06:00 Uhr
Die meisten NRW-Ministerinnen und Minister fahren E-Autos. Zwei allerdings sind jetzt vom Hybridauto zum Verbrenner zurückgekehrt. Verkehrsexperte Bratzel nennt die Entscheidung "ahistorisch".
Von Nina Magoley
Fast das komplette Kabinett der schwarz-grünen Landesregierung fährt umweltfreundlich: Laut einer aktuellen Aufstellung der Staatskanzlei, die dem WDR vorliegt, sitzen neun der zwölf Ministerinnen und Minister in Hybrid- oder vollelektrischen Fahrzeugen. Hinzu kommt Ministerpräsident Hendrik Wüst, der in einem reinen Verbrenner-Auto gefahren wird.

Herbert Reul (CDU) steigt in seinen Dienstwagen
Auch bei Innenminister Herbert Reul (beide CDU) ist das so. Das liegt nach Auskunft der Staatskanzlei daran, dass sie beide in besonders gepanzerten Fahrzeugen geschützt werden sollen - die offenbar zu schwer für elektrischen Antrieb sind.
Scharrenbach und Liminski zurück zum Verbrenner
Die zwei weiteren Ausreißer in der Liste sind Heimatministerin Ina Scharrenbach und Europaminister Nathanael Liminski (ebenfalls beide CDU). Beide tauschten kürzlich ihren Hybrid-Dienstwagen zurück gegen reine Verbrennerautos: Scharrenbach, die zwischen Mai 2023 und Oktober 2024 einen Audi 8 LTFSI 60 e quattro als Dienstwagen besaß, sitzt mittlerweile in einem Audi A8 mit reinem Diesel-Motor. Dasselbe Modell nutzt inzwischen auch Liminski, der zuvor mit einem BMW 750 e xDrive hybrid unterwegs war.
Zur Erklärung gab ein Sprecher von Ministerin Scharrenbach an, dass ihr Dienstwagen pro Jahr 90.000 Kilometer fahre. Elektrisch könnten nur "wenig kurze Strecken" gefahren werden, außerdem sei der Benzinverbrauch des Hybrid-Dienstwagens durch sein höheres Gewicht größer. Der neue Dienstwagen mit Verbrennermotor habe eine höhere Reichweite, sei somit kraftstoffsparender und auch CO2-schonender.
Ähnlich argumentiert auch das Ministerium von Nathanael Liminski.
Verkehrsminister fährt ebenfalls lange Strecken - vollelektrisch
Andere Ministerien dagegen scheinen sogar mit vollelektrischen Dienstwagen trotz langer Strecken zurecht zu kommen: Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) beispielsweise wird in einem vollelektrischen BMW gefahren. Auf Anfrage teilte eine Sprecherin mit, dass Krischer rund 70.000 Kilometer im Jahr dienstlich unterwegs sei.
Hinzu kommen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, Justizminister Benjamin Limbach (beide Grüne) und neuerdings auch Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) sind vollelektrisch unterwegs. Optendrenk hat sich damit klimatechnisch sogar verbessert: Im vergangenen Jahr saß der Finanzminister noch in einem Hybridauto.
Die Entscheidung über die Auswahl ihrer Dienstwagen können Ministerinnen und Minister selber treffen.
Wie viele Kilometer die einzelnen Mitglieder der Landesregierung pro Jahr fahren, sei teils sehr unterschiedlich, schrieb die Staatskanzlei dem WDR auf Anfrage: Zuletzt hätten die Fahrleistungen zwischen 50.000 und 130.000 Kilometer gelegen. Ausschlaggebend bei der Wahl eines neuen Dienstfahrzeuges seien unter anderem der Mobilitätsbedarf der Ministerien. Die Fahrzeuge müssten in puncto Reichweiten, "Tank- und Lademanagement" den individuellen Anforderungen genügen, "um insbesondere eine termingerechte Aufgabenerfüllung" zu gewährleisten.
Experte: "Ahistorische" Entscheidung

"Zurück zur Pferdekutsche": Experte Bratzel
Automobilexperte Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, kann die Argumente nicht nachvollziehen. Der Wechsel zurück zum Dieselfahrzeug erscheine ihm "ahistorisch“, sagte er dem WDR.
Wenn, wie die Ministerien argumentieren, die Reichweite mit einem E-Fahrzeug nicht groß genug sei, liege das daran, dass es immer noch viel zu wenige Ladestationen gebe. Grundsätzlich sei es Aufgabe der Politik, das Netz an Schnellladestationen für E-Autos auszubauen.
Fast 135.000 öffentliche Ladepunkte gab es deutschlandweit Mitte 2024, und nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geht der Ausbau rasant voran. Eine freie Ladestelle zu finden, ist offenbar nicht schwer: Im bundesweiten Durchschnitt waren die Ladesäulen im vergangenen Jahr laut BDEW nur zu 14,5 Prozent zeitgleich belegt.
Sogenannte Schnelllader können eine Batterie innerhalb von 15 Minuten auf 80 Prozent aufladen.
Batterien aus China
Ein ganz anderer Punkt, der die Klimabilanz eines Hybrid- oder E-Autos bislang möglicherweise trüben könne: Bislang kommen Autobatterien größtenteils noch aus China. Die Produktion dort sei nicht klimafreundlich, sagt Bratzel. "Dieser Rucksack muss bislang bei jeder einzelnen Batterie noch 'abgefahren‘ werden.“ Wenn Autobatterien künftig in Europa hergestellt werden, verbessere das die Klimabilanz auch bei Hybridfahrzeugen erheblich.
Bislang müsse eine ausreichend große E-Batterie 50 bis 60.000 Kilometer im Jahr gefahren werden, um auf eine positive Klimabilanz zu kommen. Wenn es gelinge, den Ausbau regenerativen Stroms zu steigern, sei dieser Punkt noch schneller erreicht.
"Zur Pferdekutsche zurückkehren"
Wenn Politikerinnen und Politiker allerdings, wie jetzt in NRW, den umgekehrten Weg einschlagen und "nach hinten anstatt nach vorne schauen", könne Deutschland als "Vorzeigeland" bei Zukunftsenergien bald "schrittweise einpacken", sagt Bratzel. Das sei, als wolle man "zur Pferdekutsche zurückkehren".
Der WDR berichtet am Dienstag (18.02.2025) über das Thema in der WDR 5-Sendung Westblick um 17:04 Uhr.
Unsere Quellen:
- Staatskanzlei NRW
- Sprecher Heimatministerium NRW
- Sprecher Finanzministerium NRW
- Sprecher Umweltministerium NRW
- Interview Stephan Bratzel, Experte für Verkehrspolitik und Automobilbranche
- Eigene Recherchen