Nach der schweren Panne bei den Abi-Klausuren und der zusätzlichen IT-Schwachstelle steht NRW-Schulministerin Dorothee Feller weiter in der Kritik. Am Mittwoch nutzte die CDU-Politikerin eine Sitzung des Schulausschusses im Landtag, um aus der Defensive zu kommen. So verteidigte sie das eigene Vorgehen und kritisierte in ungewöhnlich deutlichen Worten die Zustände in ihrem eigenen Haus.
Franziska Müller-Rech
Zuvor war der Ministerin noch einmal vorgeworfen worden, nicht entschieden genug zu handeln und zu spät zu informieren. So kritisierte die schulpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Franziska Müller-Rech, dass der Ausschuss nicht bereits in der vergangenen Woche über eine IT-Schwachstelle informiert wurde, obwohl bereits erste Informationen darüber vorlagen. "Ich finde das verwerflich. Das ist nicht in Ordnung. (…) Das hätten Sie uns nicht verschweigen dürfen", warf Müller-Rech der Ministerin vor. Ihre SPD-Kollegin Dilek Engin zeigt sich "sehr enttäuscht".
Als Reaktion ging Feller zum Gegenangriff über. Zum Vorwurf, sie habe bewusst etwas verschwiegen, sagte die Ministerin: "Habe ich nicht. Das weise ich auch zurück." Erst in den vergangenen Tagen sei auf Nachfragen das Ausmaß der IT-Schwachstelle deutlich geworden.
Große interne Probleme
Es folgte eine überraschende Generalabrechnung über die Zustände in ihrem Geschäftsbereich und dem Schulministerium, das Feller vor zehn Monaten von ihrer FDP-Vorgängerin Yvonne Gebauer übernommen hat. "Wenn ich immer nur auf Nachfrage scheibchenweise Infos kriege, dann stimmt doch etwas in der Struktur nicht", fing Feller an und nannte explizit das zum Geschäftsbereich des Schulministeriums gehörende Institut QUA-LiS NRW.
NRW-Schulministerium in Düsseldorf
Doch die Ministerin ging noch weiter und sagte sichtlich verärgert: "Ich finde im Ministerium Baustellen vor, da kann ich nur mit dem Kopf schütteln mittlerweile." Diese seien "inhaltlicher" und "organisatorischer" Art. Doch angesichts der Vielzahl könne sie nicht alles sofort beheben. "Es kann immer in nächster Zeit sein, dass irgendwo was aufploppt. Weil ich nicht alle Baustellen gleichzeitig bearbeiten kann." Alle Beteiligten der vergangenen Jahre müssten "fairerweise" nachdenken, woher die Probleme kämen. "Und man muss mir auch die Zeit geben, dass wir gemeinsam eine Struktur reinbringen. Das gilt für alle Bereiche."
Als erste Maßnahme kündigte die Schulministerin an, dass in ihrem Haus eine "Kommunikations- und Ablaufstruktur" erstellt wird. Dadurch solle sichergestellt werden, dass in "besonderen Lagen" alle relevanten Akteure rechtzeitig informiert werden. Durch regelmäßige Übungen solle eine Routine entstehen. Damit reagiert Feller auf die Kritik an der Kommunikation ihres Hauses.
Mehr Datensätze betroffen
Was die IT-Schwachstelle angeht, räumte die Ministerin ein, dass dadurch wohl mehr als die zunächst genannten 500 Datensätze theoretisch frei einsehbar gewesen seien. Dass es mehr sein könnten, habe sie aber erst "nach mehrmaligen Nachfragen in den letzten Tagen" von dem bereits erwähnten Institut QUA-LiS NRW erfahren. Die genaue Zahl sei noch unklar. Im Gespräch mit dem WDR hatte ein Hacker von 3.765 Datensätzen gesprochen.
Eine Konsequenz aus dem Vorfall: Am Dienstag wurde das Beratungsunternehmen Ernst & Young laut Feller damit beauftragt, die IT-Panne extern zu untersuchen.
Retourkutsche der FDP
Die Generalabrechnung der Ministerin und der Fingerzeig auf ihre Vorgängerin von der FDP scheint die Fronten nicht geklärt zu haben - im Gegenteil. Im Anschluss an die Sitzung warf FDP-Schulexpertin Müller-Rech der Schulministerin vor, "dünnhäutig" auf Kritik zu reagieren. Und SPD-Schulsprecherin Engin kritisierte: "Die Ministerin hat heute die Verantwortung für die Probleme in ihrem Haus auf ihre Arbeitsebene geschoben." Die Andeutungen über Probleme gäben Anlass zur Sorge, dass Feller "den Herausforderungen in der Bildungskatastrophe nicht gewachsen ist".
Der WDR berichtet über das Thema am 26.04.23 u.a. in den aktuellen Sendungen des WDR Fernsehens und im Westblick auf WDR 5.