Blick auf die Brücke in der Vogelperspektive

NRW startklar? Kommunen hoffen auf Geld aus dem Sondervermögen

Stand: 21.03.2025, 13:47 Uhr

Marode Straßen, Schienen, Schulen und Feuerwachen. In Nordrhein-Westfalen bereiten sich Städte und Gemeinden auf einen Teil des milliardenschweren Sondervermögens des Bundes vor. Allerdings ist die Sorge groß, dass das Geld nicht zielgenau ankommt.

Von Cedrik PelkaCedrik PelkaDaniela BeckerMartin TeiglerMartin Teigeler

Der Bundesrat hat das schuldenfinanzierte Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur gebilligt. "Ab sofort muss die Frage im Mittelpunkt stehen, wie wir die Investitionen ins Rollen bekommen", sagte die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin und Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) am Freitag in der Länderkammer.

NRW mit einem "Ja, aber..."

Auch das schwarz-grün regierte NRW stimmte im Bundesrat zu. Aber Neubaur kritisierte erneut, dass der Bund allein entscheide, wofür der größte Teil der Investitionen ausgegeben wird. Die Stellvertreterin von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte mehr Mitspracherecht der Länder. Auch bei den gelockerten Schuldenregeln für die Bundesländer sieht die Grünen-Politikerin noch Klärungsbedarf.

Wie das Geld aus dem 500 Milliarden Euro schuldenfinanzierten Sondervermögen Infrastruktur genau verteilt wird, ist bislang unklar. 100 Milliarden Euro soll es für die Bundesländer geben, wie viel davon bei den Kommunen ankommt, ist noch offen. "Sehr einfache unbürokratische Verfahren", so lautet die Forderung des NRW-Städtetags.

Wo das Geld gebraucht wird - Beispiel Feuerwehr

Sebastian Thews, Feuerwehr Mettmann

Sebastian Thews von der Feuerwehr Mettmann

Dicht an dicht stehen Feuerwehrautos in der Halle der Feuerwache Mettmann. Zwischen zwei Fahrzeugen quetscht sich der stellvertretende Amtsleiter Sebastian Thews durch. Die beiden riesigen Fahrzeuge stehen keinen Meter auseinander. Dahinter hängen die Uniformen an einer Stange mitten im Gang. Wenn ein Einsatz kommt und es schnell gehen muss, steigt die Verletzungsgefahr.

"Wenn hier zwölf Leute gleichzeitig hinlaufen und alle hier eng an eng sich umziehen müssen, dann gibt es hier auch mal kleinere Tumulte. Das ist aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht heute gar nicht mehr tragbar", sagt Thews. Weil nicht alle Fahrzeuge in die Halle passen, sind einige permanent der Witterung ausgesetzt. Im Winter müssen deshalb die Wassertanks entleert und vor einem Einsatz erst wieder mit Löschwasser befüllt werden. 

Investitionen bleiben auf der Strecke

Egal, wo man hinschaut: Die Feuerwache ist zu klein. Die einzige Lösung wäre ein deutlich größeres Gebäude. Doch Geld für eine neue Wache war bislang nicht da. Dabei sehen Kommunen neben Straßen, Schienen, Schulen und Verwaltungsgebäuden den größten Investitionsbedarf bei ihren Feuerwehren.

"Doch schon jetzt ließen sich kaum alle Aufgaben aus dem regulären Haushalt bezahlen. Zusätzliche Investitionen werden immer schwieriger bis unmöglich", sagt Mettmanns Bürgermeisterin Sandra Pietschmann (parteilos). Das Sondervermögen des Bundes nennt sie eine "kleine Hilfe". Langfristig müssten allerdings andere Lösungen her. 

Steuern könnten steigen – trotz milliardenschwerem Sondervermögen 

"Es wird so sein, dass damit nicht alle Nachholbedarfe, der Sanierungsstau auf kommunaler Ebene, behoben werden kann. Jeder Bürger wird da sicher auch noch seinen Anteil dazu beitragen dürfen und auch müssen", sagt Pietschmann. Das geht aus ihrer Sicht nur mit höheren Steuern und Gebühren in der Stadt.

Die Bürgermeisterin fordert mehr Unterstützung von Bund und Land, um den Investitionsstau zu beheben. Bürokratie abbauen, Vergaberichtlinien vereinfachen, die Digitalisierung vorantreiben, Fachkräfte anwerben und die Altschuldenproblematik lösen.

Ökonom sieht Risiken

Tobias Hentze, Institut der deutschen Wirtschaft

Tobias Hentze, Institut der deutschen Wirtschaft

Das sieht Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln auch so. Er warnt: "Ohne zusätzliche Strukturreformen wird das Geld verpuffen." Daher seien solche Reformen zwingend für den Erfolg der Investitionen, egal, "ob die Politik das möchte". 

Auch warnt Hentze vor zu hohen Erwartungen. "Das Geld wird nicht reichen, um alle Wünsche, die gerade durch das Land gehen, erfüllen zu können." Er mahnt von Bund, Land und Kommunen an, ihre Vorhaben nochmal neu zu priorisieren.

Wie das Geld aus dem Sondervermögen Infrastruktur genau verteilt wird, ist bislang unklar. 100 Milliarden Euro wird es für die Bundesländer geben, wie viel davon bei den Kommunen ankommt, ist noch offen.

Freude und Skepsis über den bevorstehenden Geldsegen

"Wir sind Ende des Jahres fertig, ganz bestimmt", ruft der Mitarbeiter einer Straßenbaufirma fröhlich einer Anwohnerin in Krefeld auf der Uerdinger Straße zu. Die Hauptverkehrsachse ist seit einem Jahr wegen Sanierung gesperrt - zum Leidwesen von Geschäftsleuten und Anliegern. Guido Scheer ist einer von ihnen. Er steht an der Bauabsperrung.

Den neuen Geldsegen aus Berlin sieht er mit gemischten Gefühlen. "Ich bin nicht so ein Feund davon, weil die keinen vernünftigen Plan haben", sagt Scheer und meint das Aussetzen der Schuldenbremse. "Erst Geld genehmigen und dann überlegen wofür", hält der baustellengeplagte Anwohner für nicht richtig. "Was muss, das muss", sagt hingegen ein Arbeiter am Rande der Baustelle achselzuckend.

Reformen für die Zukunft?

Joachim Selzer, Bauverbände NRW

Joachim Selzer, Bauverbände NRW

Ein paar Meter weiter blickt Ingenieur und Unternehmer Joachim Selzer auf das neue Gleisbett der Straßenbahn, das gerade einbetoniert wird. Der Vorsitzende des Straßen-und Tiefbauverbandes NRW sieht im Sondervermögen Chancen, wenn es tatsächlich tiefgreifende Reformen gibt.

"Das Geld kann viele Probleme lösen. Wir müssen uns aber vergegenwärtigen, dass wir in 50 Jahren die gleichen Probleme wieder haben". Er fordert ein Umdenken in der Politik. Dass man auch Gelder dazu verwendet, Ideen zu entwickeln, wie etwa neue Verkehrskonzepte aussehen könnten. Man dürfe nicht "einen alten Zustand zementieren".

Um die bestehenden Baustellen schneller zu machen, braucht es aus Sicht des Straßenbauunternehmers eine bessere Planung, eine digitalisierte Verwaltung und mehr Kontrolle. Denn die "funktioniert nicht so gut", sagt Selzer. Vor allem mit Blick auf die anstehenden Gelder, die jetzt kommen "müsste man  sicherlich nachjustieren. Damit werden die Kommunen oder auch Land und Bund als öffentliche Auftraggeber überfordert."

Städtetag fordert feste Budgets für Kommunen

Helmut Dedy

Helmut Dedy vom Städtetag

Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetags NRW, sagt: "Aus unserer Sicht wäre es gut, wenn die Städte aus dem Sondervermögen feste Budgets bekommen, über die sie dann selbst verfügen können. Das ist besser als komplizierte Förderprogramme, die wir dann erst aufwändig beantragen müssen." Ein Vorbild könnte laut Dedy das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz von 2015 sein. Das habe die Bundesgelder passend auf die Länder verteilt.

Dedy weiter: "Wann das erste Geld in den Städten ankommt, können wir noch nicht genau sagen. Erst muss es dazu ein Bundesgesetz, dann ein Landesgesetz geben. Die Landesregierung hat uns aber schon signalisiert, dass sie schnell Gespräche mit uns dazu aufnimmt. Das ist ein sehr gutes Zeichen.“

Unsere Quellen:

  • Neubaur im Bundesrat
  • Thews, Selzer, Pietschmann, Hentze und Scheer im Westpol-Interview
  • Dedy in schriftlicher Mitteilung auf Anfrage

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 23.03.2025, 19.30 Uhr auch im Fernsehen bei "Westpol".

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