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Mafia-Prozess: Wie sich die 'Ndrangheta in NRW festgesetzt hat

Stand: 03.02.2025, 14:19 Uhr

In Düsseldorf stehen ab heute acht mutmaßliche "'Ndrangheta"-Mitglieder vor Gericht. Wie ist die Mafia in NRW aufgestellt?

Von Andreas Poulakos

Regelmäßiger Grenzverkehr mit eingebautem Drogenversteck unter der Rückbank: Im Auftrag der italienischen Mafia sollen acht Deutsche den Schmuggel von fast 900 Kilogramm Kokain organisiert haben. Vom diesem Montag an müssen sie sich in Düsseldorf im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts verantworten. 

Wie genau arbeitet die italienische Mafia in NRW? In welche Straftaten sind die Mitglieder verwickelt? Und wie gehen Polizei und Justiz gegen die kriminellen Netzwerke vor? Fragen und Antworten.

Prozessauftakt: Die Koks-Kuriere der italienischen Mafia

WDR Studios NRW 03.02.2025 00:47 Min. Verfügbar bis 03.02.2027 WDR Online


Welche Mafiagruppen sind in NRW aktiv?

Italienische Mafiaorganisationen gehören nach Einschätzung des Landeskriminalamts NRW (LKA) zu den gefährlichsten und am besten organisierten Strukturen der Organisierten Kriminalität in Deutschland. Vor allem die ursprünglich aus Kalabrien stammenden Mafiagruppe 'Ndrangheta ist nach Erkenntnissen der Ermittler in NRW präsent. Andere Gruppen wie die Camorra und die Cosa Nostra spielen laut LKA im Vergleich eine untergeordnete Rolle.

Nordrhein-Westfalen dient dabei der 'Ndrangheta laut LKA als Stützpunkt, Rückzugsort und Drehscheibe für illegale Geschäfte - insbesondere für die Verschleierung von Einkünften durch den Handel mit Kokain und anderen Drogen.

Sandro Mattioli

Sandro Mattioli

Während das LKA von einer niedrigen dreistelligen Zahl 'Ndrangheta-Mitglieder in NRW ausgeht, verweist Sandro Mattioli vom Verein "mafianeindanke" auf Erkenntnisse der italienischen Staatsanwaltschaft. Demnach gibt es in Deutschland etwa 60 "Ortsvereine" der 'Ndrangheta, in denen jeweils mehr als 50 Mitglieder organisiert sind. Falls das zutrifft, dürfte in NRW die Mitgliederzahl der kalabrischen Mafia weit höher liegen als bisher bekannt.

In welche Geschäfte ist die 'Ndrangheta verwickelt?

Neben dem internationalen Drogenhandel fällt die 'Ndrangheta seit Jahren zunehmend auch durch Aktivitäten im Bereich der Wirtschaftskriminalität auf. Der Betrieb von zahlreichen "Legalfassaden" wie Restaurants oder anderen mittelständischen Unternehmen soll zum Beispiel Geldwäsche im großen Stil ermöglichen.

Beim Bundesfinanzministerium heißt es hierzu: "Die Kriminellen nutzen Geschäftsfelder mit einem schwer nachvollziehbaren Geldmengenfluss, um die illegalen Einnahmen als 'echte' Umsätze zu verbuchen." Dazu eigneten sich zum Beispiel Wettbüros und Gastronomiebetriebe. Das gewaschene Geld könne dann im normalen Wirtschaftsverkehr genutzt werden.

Im Jahr 2023 wurden laut dem aktuellen "Lagebild Organisierte Kriminalität" des LKA in NRW gegen vier "italienisch dominierte Gruppierungen" wegen Drogenhandels ermittelt, denen Verbindungen zur 'Ndrangheta und Camorra nachgewiesen werden konnte. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität deckten die Fahnder außerdem ein kriminelles "Umsatzsteuerkarussell" im europäischen Kraftfahrzeughandel auf. Außerdem ermittelten sie gegen mutmaßliche Mafiosi wegen Abrechnungsbetrugs durch den Betrieb von fiktiven Corona-Testzentren.

Wie gehen die Behörden gegen die kriminellen Netzwerke vor?

In den Fokus der Öffentlichkeit rückte die 'Ndrangheta in Deutschland vor allem durch die sogenannten Mafiamorde von Duisburg 2007. Infolge eines Streits zweier verfeinder Familienclans wurden im August des Jahres sechs Menschen aus nächster Nähe vor einem italienischen Restaurant erschossen. Die Täter wurden später in Italien vor Gericht gestellt und zu hohen Haftstrafen verurteilt.

In der Folge erhöhten die Behörden den Druck und bemühten sich insbesondere um eine engere internationale Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Mafia-Netzwerken. Die Zahl der Fahnder wurde stark erhöht, außerdem setzten die Behörden verstärkt auf Abhör-Maßnahmen und verdeckte Ermittler.

Gibt es Fahndungserfolge?

Infolge der intensiven Ermittlungen gelangen der Polizei in den folgenden Jahren einige spektakuläre Razzien. So gab es zum Beispiel Ende 2018 im Rahmen der Aktion "Pollino" Durchsuchungen und Festnahmen in mehreren europäischen Ländern. Dabei gerieten auch mutmaßliche 'Ndrangheta-Mitglieder in Duisburg, Wesseling und Pulheim in den Fokus der Ermittler. Unter verschiedenen Tatvorwürfen wurden ab 2020 anfangs 14 Männer vor Gericht gestellt und einige von ihnen auch bereits verurteilt. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen.

Im Mai 2023 kam es dann im Rahmen der Aktion "Eureka" zu Durchsuchungen und Festnahmen in zehn europäischen Ländern. In NRW gab es zum Beispiel Einsätze in Siegen, Wuppertal, Essen, Dortmund und Bonn. Der aktuelle Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ist nur eines von mehreren Verfahren, die infolge von "Eureka" erst möglich wurden.

Welche Probleme gibt es bei der Strafverfolgung?

Obwohl für die italienische Mafia Deutschland nach Italien wohl der wichtigste Standort in Europa ist, sei die Justiz gegenüber Mafiosi oft machtlos, sagt Experte Mattioli am Montag im Gespräch mit dem WDR. "Die können hier weitgehend ruhig sein, wenn sie sich keine Gewaltverbrechen zuschulden kommen lassen."

Anders als in Italien reiche die bloße Mitgliedschaft in einer Mafia-Vereinigung meist nicht zu einer Verurteilung aus. Gefährlich werde es für die Täter in der Regel nur dann, wenn die Ermittler ihnen eine konkrete Straftat nachweisen können. Das sei jedoch oft schwierig, auch weil nur wenige Verdächtige mit den Behörden kooperieren. Auch die Abschöpfung der Gewinne aus kriminellen Aktivitäten ist in Italien leichter möglich als hierzulande.

Das zeigt sich auch in den Statistiken des LKA aus dem Jahr 2023: Die aufgedeckten Gewinne aus kriminellen Geschäften bezifferten die Ermittler auf 96,8 Millionen Euro (Vorjahr 163,7) Bei der Vermögensabschöpfung blieben die Ermittler mit 14 Millionen Euro (Vorjahr: 22) ebenfalls hinter dem Vorjahr zurück.

Wie will NRW das Problem eindämmen?

Nordrhein-Westfalen fordert die Einrichtung einer grenzüberschreitenden Kooperation von Europol, Europäischer Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsbehörden anderer Mitgliedstaaten in neuen festen Strukturen. Mitte Januar warb die Landesregierung in Brüssel außerdem bei den EU-Partnern für neue europäische Gesetzesinitiativen, die den Ermittlungsbehörden bei der Bekämpfung der Mafia mehr Rechte einräumt.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern sei Nordrhein-Westfalen im Kampf gegen die Mafia relativ gut aufgestellt, meint auch Mattioli. Beispielsweise sei in NRW gegen mehrere Personen mit Mafia-Verbindungen ein wirtschaftliches Betätigungsverbot ausgesprochen worden. "Hier hat die Regierung offensichtlich verstanden, dass es ein Problem mit Organisierter Kriminalität gibt."

Unsere Quellen:

  • Lagebild Organisierte Kriminalität, LKA NRW
  • Deutsche Presse Agentur
  • WDR-Gespräch mit Sandro Mattioli
  • NRW-Innenministerium

Über dieses Thema berichtet der WDR am 03.02.2025 auch im Fernsehen: WDR aktuell um 16 Uhr.