Tiefe Betroffenheit, Tränen und Wut: Nicht nur in Russland, auch in Bonn, Düsseldorf und Köln kamen Menschen zusammen, um wegen des Todes des Kremlkritikers Alexej Nawalny Mahnwachen abzuhalten. Darunter auch viele putinkritische Russen.
Nawalny starb am Freitag in einem Straflager im Norden Russlands. Das bestätigte am Samstag Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch bei X.
Mahnwache in Bonn
Vor dem russischen Generalkonsulat in Bonn versammelten sich am Freitag laut Polizei bis zu 100 Menschen zu einer Mahnwache zum Gedenken an Nawalny. Auf Transparenten standen Aufschriften wie "Putin = Killer" und "Russland ohne Putin!".
Teilnehmer legten Blumen vor dem Gebäude nieder und zündeten Kerzen an. Die Aktion war von der Organisation "Freies Russland NRW" organisiert worden. Es spiele keine Rolle, "ob man Nawalny mochte oder seine Politik unterstützte", erklärten die Organisatoren. "Sein Tod im Gefängnis ist eine Tragödie und eine Schande für Russland."
Nawalny sei auf Putins Befehl langsam und systematisch zu Tode gefoltert worden. Die Bundesregierung müsse eine entschiedene Reaktion darauf zeigen, forderte "Freies Russland NRW".
Weggefährte Nawalnys: "Hoffte auf einen schlechten Traum"
Mit dabei ist Sergej Guljaew, oppositioneller russischer Journalist, der in Bonn lebt – und ein guter Bekannter von Nawalny war. Beide haben bereits zusammen in Russland Proteste angeführt. "Ich konnte das zuerst lange nicht glauben, dachte, das sei ein Fehler oder ein blöder Traum", beschreibt er den Moment, als die Nachricht vom mutmaßlichen Tod Nawalnys kam.
"Ich hab natürlich von Putin alles Mögliche erwartet, aber ich hätte nicht gedacht, dass er so mit ihm umgeht." Für Guljaew handelt es sich um einen "Auftragsmord, bestellt von Putin".
Die Hoffnung, die für viele den Tag durchzog, dass die Meldung über Nawalnys Tod falsch sei, hat Guljaew kaum noch: "Weil sie es Putin schon gesagt haben und Julia Nawalnaya schon auf der Sicherheitskonferenz aufgetreten ist, denke ich kaum, dass mich morgen früh solche guten Nachrichten erwarten werden."
"Kaum noch Hoffnung auf Demokratie in Russland"
"Nawalny war für mich ein Symbol für Demokratie", sagt ein junger Mann der in Russland aufgewachsen ist und erst seit drei Jahren in Bonn lebt, dem WDR-Reporter in Bonn. Er habe in Russland nie Putin gewählt - aber auch keine Chance gehabt, Nawalny zu wählen. Heute, sagt er mit brechender Stimme, "ist nicht nur Nawalny gestorben, heute ist auch die Hoffnung auf Demokratie in Russland gestorben". Er gehe davon aus, dass Putin Nawalny getötet hat - "nicht direkt, aber er hat die Bedingungen dafür geschaffen".
300 Menschen protestieren in Düsseldorf
Auch in Düsseldorf kamen am Freitagabend nach WDR-Schätzungen etwa 300 Menschen auf dem Marktplatz zusammen - ebenfalls aufgerufen vom Verein "Freies Russland NRW". Es habe eine Atmosphäre der Fassungslosigkeit geherrscht, berichtete WDR-Reporterin Mathea Schülke, "viele Menschen weinten". Es wurden Plakate mit Nawalny-Zitaten gehalten, die Menschen sangen Protestlieder.
Der Grüne Landtagsabgeordnete Stefan Engstfeld hielt eine Ansprache und sagte: "Wir verneigen uns vor dem Mut von Alexej Nawalny."
Mahnwache für Nawalny vor dem Kölner Dom
Am frühen Sonntagabend versammelten sich auch in Köln vor dem Dom rund 120 Menschen zu einer Mahnwache für Nawalny. Viele von ihnen hatten Blumen, Kerzen oder Fotos dabei, die sie auf dem Roncalliplatz niederlegten. Einige hielten Schilder hoch: Auf einem stand "Putin = Killer" auf einem anderen "Alexey my Hero".
Gestern noch "frech und witzig"
Die ARD-Moskau-Korrespondentin Ina Ruck sagte in der Aktuellen Stunde, der Tod Nawalnys sei zwar "heute überraschend" gewesen - schließlich habe man ihn gestern noch per Video in einer Gerichtsverhandlung "frech und witzig" erlebt. Grundsätzlich aber habe man bei seinen "Vorbedingungen" - sehr harte Haftumstände und sein vom Giftanschlag geschwächter Körper - damit rechnen müssen.
Ruck berichtete, dass Nawalnys Ehefrau Julija, die am Mittag noch kurz auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen hatte, offenbar auf dem Weg nach Sibirien zu dem Straflager sei. "Sie will ihren Mann sehen".