Rückblick: RAF-Überfall auf Geldtransporter
Aktuelle Stunde . 24.03.2025. 10:23 Min.. UT. Verfügbar bis 24.03.2027. WDR. Von Michael Jung.
Prozess gegen Ex-RAF-Terroristin Klette: Worum geht es?
Stand: 25.03.2025, 11:57 Uhr
In Celle hat am Mittwoch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen der erste Prozess gegen die Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette begonnen. Was ist das Besondere daran? Welche Straftaten ereigneten sich in NRW? Ein Überblick.
Von Jörn Seidel
Vor einem Jahr war sie plötzlich wieder in aller Munde: die linksextremistische Terror-Vereinigung RAF. Der Anlass: die Festnahme von Daniela Klette. Drei Jahrzehnte lang lebte die heute 66-Jährige im Untergrund, zuletzt mitten in Berlin. Jetzt startet der erste Prozess gegen die frühere Terroristin. Konkret geht es jetzt ausschließlich um eine Raubserie. Was wird Klette sonst noch vorgeworfen? Was geschah in NRW? Und warum ist dieser Prozess eigentlich so bedeutsam?
Warum ist das Thema RAF auch heute noch so bedeutsam?

RAF-Terroristin Daniela Klette bei ihrer Festnahme am 7. März 2024
Die Anschläge der linksextremistischen Terror-Vereinigung "Rote Armee Fraktion", kurz RAF, hielten die Bundesrepublik jahrzehntelang in Atem. Mehr als 30 Morde gehen laut Behörden auf ihr Konto. Darüber hinaus gab es zahlreiche Verletzte und Sachbeschädigungen. Ein Kernanliegen der RAF: die Zerstörung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung.
Gegründet 1968 entstand die RAF inmitten der 68er-Bewegung. Doch während sich der Staat in Folge dieser Bewegung auf demokratische Weise allmählich zu verändern begann, lehnte die RAF den Staat, so wie er war und ist, grundsätzlich ab und setzte auf Gewalt. Vergebens: Die RAF verfehlte ihr Ziel und löste sich 1998 offiziell auf.

Butz Peters, Rechtsanwalt und RAF-Experte
"Es war eine ideologische Sackgasse. Das Revolutionsmodell der RAF hat den Praxistext nicht bestanden", sagt Butz Peters, Rechtsanwalt und Autor mehrerer Bücher über die RAF, zum Prozessauftakt dem WDR.
"Deshalb ist das Thema auch für junge Menschen so wichtig: Man kann an der RAF nachvollziehen, dass unser System richtig ist und man es nicht mit Gewalt kippen kann." Butz Peters, RAF-Experte
Es bringe nichts, sich dem "Tunnelblick" solcher Ideologien anzuschließen, sagt Peters. "Morde bringen die politische Entwicklung in diesem Land nicht weiter."
Die Dutzenden RAF-Mitglieder in den drei Jahrzehnten ihres Bestehens ordnet man drei Generationen zu. Daniela Klette gehörte der dritten an. Sie soll Teil eines Trios mit Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub gewesen sein. Die beiden befinden sich noch im Untergrund und werden international gesucht.

Fahndung auf einer Werbetafel nach RAF-Terrorist Ernst-Volker Staub
Terror, Morde, Überfälle? Was wird Klette vorgeworfen?

Von der RAF 1991 ermordet: Detlev Karsten Rohwedder, Treuhand-Chef
Mindestens zehn Morde soll die dritte RAF-Generation, der auch Klette angehörte, begangen haben. Fast keiner ist aufgeklärt. Zwei der bekanntesten Fälle: der Mord am damaligen Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) im hessischen Bad Homburg und der Mord am Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991) in Düsseldorf.
In welchem Zusammenhang Daniela Klette damit steht, ist unklar. Konkret vorgeworfen werden ihr versuchter Mord in zwei Fällen sowie versuchte und vollendete Sprengstoffexplosion in Mittäterschaft bei drei RAF-Anschlägen. Doch bis diese Fälle vor Gericht verhandelt werden, könnten noch Jahre vergehen.

Fahndungsfotos von Burkhard Garweg (links), Ernst-Volker Staub und Daniela Klette
Im jetzigen Prozess des Landgerichts Verden in Celle in Niedersachsen geht es ausschließlich um eine Raubserie, die das Trio Klette, Staub und Garweg begangen haben soll - und im Zusammenhang damit um versuchten Mord. Damit soll sie ihr Leben im Untergrund finanziert haben. Die Mitgliedschaft in der terroristischen RAF an sich ist laut Bundesanwaltschaft inzwischen verjährt.
Um welche Raubüberfälle - auch in NRW - geht es im jetzigen Prozess?
Das Trio Klette, Staub und Garweg soll zwischen 1999 und 2016 Geldtransporter und Supermärkte in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein überfallen haben, um ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Dabei soll die Bande mehr als 2,7 Millionen Euro erbeutet haben.
Die ersten Überfälle fanden in NRW statt:

Tatort in Duisburg: 1999 überfiel die RAF einen Geldtransporter.
30. Juli 1999 in Duisburg, Überfall auf Geldtransporter: Auf dem Parkplatz eines Großhandelsmarktes in Duisburg rammen maskierte Täter mit ihrem Wagen einen Geldtransporter. Sie bedrohen die beiden Wachleute mit einer Panzerfaust, einer Maschinenpistole und einem Sturmgewehr. Die Maskierten laden Geldkisten aus dem Transporter in einen anderen Wagen und fliehen unerkannt. Sie erbeuten eine Million Mark, der Schaden wird von den Ermittlern später mit rund 519.000 Euro angegeben.
2. November 2004 in Leverkusen, Überfall auf Großmarkt: Als eine Kassiererin in den Tresorraum eines Großmarktes gehen will, wird sie von zwei Männern in den Raum geschubst. Die Täter bedrohen sie und zwei weitere Angestellte in dem Raum mit Schusswaffen und zwingen sie, einen Tresor zu öffnen. Die Räuber nehmen Bargeld aus dem Tresor und fliehen mit einem Auto, das von Klette gefahren worden sein soll. Sie erbeuten laut Staatsanwaltschaft etwa 160.000 Euro.
27. Dezember 2006 in Bochum, Überfall auf Supermarkt: Mit Schusswaffen zwingen zwei Männer im Tresorraum eines Supermarktes zwei Kassiererinnen, sich auf den Boden zu legen. Dann packen die Täter die offen vor einer Geldzählmaschine abgelegten Einnahmen aus dem Weihnachtsgeschäft ein. Sie fliehen mit ihrer Beute durch einen Notausgang. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um 160.000 Euro.
14. April 2009 in Löhne, Kreis Herford; Überfall auf Supermarkt: Bei einem Überfall auf ein Geschäft in Löhne in Nordrhein-Westfalen erbeuten Täter den Ermittlungen zufolge etwa 177.000 Euro. Jahre später teilt das niedersächsische Landeskriminalamt mit, dass DNA-Spuren zu den gesuchten Ex-Terroristen Staub, Garweg und Klette führen.
Überfalle zwischen 2011 und 2016: Nach den vier Überfällen in NRW folgen in den Jahren danach neun weitere, die dem Trio angelastet werden: acht in Niedersachsen, einer in Schleswig-Holstein. Immer sind es Supermärkte oder Geldtransporter.
RAF-Experte Peters erhofft sich vom ersten Klette-Prozess allerdings mehr als die Aufklärung dieser Raubüberfälle: "Es dürfte ans Tageslicht kommen, wie es Klette gelungen ist, 30 Jahre vom Erdboden zu verschwinden. Wie sie mitten in Berlin leben konnte, mit einem Freundeskreis, mit einem Bankkonto, obwohl zugleich mit Fahndungsplakaten nach ihr gesucht wurde."
Mehr werde der jetzige Prozess aber wohl nicht zutage fördern, glaubt Peters: "Einen Blick ins Innenleben der RAF halte ich für ausgeschlossen." Darauf werde man noch warten müssen, bis es zu weiteren Prozessen kommt.
Unsere Quellen:
- WDR-Interview mit Butz Peters, Rechtsanwalt und RAF-Experte
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- RAF-Berichte der Bundeszentrale für politische Bildung
Über dieses Thema berichteten wir am 25.03.2025 auch im WDR-Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr