Volksverhetzung oder Meinungsfreiheit: Unterschiedliche Einschätzung zur Hetzparole Aktuelle Stunde 27.05.2024 29:41 Min. UT Verfügbar bis 27.05.2026 WDR Von Oliver Köhler

Nach rassistischen Parolen auf Sylt: Auch Vorfälle auf Festen in NRW

Stand: 27.05.2024, 15:59 Uhr

Nach rassistischen Gesängen auf Sylt, die durch Handyvideos öffentlich wurden, gibt es jetzt auch ähnliche Vorfälle aus NRW. Auch dort ermittelt der Staatsschutz.

Von Peter Hild

In Solingen hat es am Wochenende offenbar einen ähnlichen Vorfall wie auf Sylt gegeben. Dort soll ein Pärchen auf dem Dürpelfest im Stadtteil Ohligs ausländerfeindliche Parolen zu einem Party-Hit gesungen haben.

Passanten hatten das gehört und eine Polizeistreife auf der Festmeile angesprochen sowie Anzeige erstattet. Der Staatsschutz ermittelt jetzt gegen das Pärchen.

Im Sauerland sind die Beamten ebenfalls wegen eines vergleichbaren Falls im Einsatz. Im Rahmen des Bike-Festivals "Dirt Masters" in Winterberg sind am Wochenende drei Anzeigen wegen Volksverhetzung eingegangen. In zwei Fällen sollen rechte Parolen gesungen worden sein, darüber hinaus sei ein Hakenkreuz auf die Straße geschmiert worden.

Rassistischen Parolen auf Sylt WDR Studios NRW 27.05.2024 02:00 Min. Verfügbar bis 27.05.2026 WDR Online

Ermittlungen nach Vorfällen im Bergischen eingestellt

Ermittlungen nach Vorfall in Reichshofer Club eingestellt | Bildquelle: Oliver Köhler/WDR

Nach ausländerfeindlichen Gesängen bei Feiern in Bergneustadt und in Reichshof im Bergischen haben die zuständigen Staatsanwaltschaften die Ermittlungen inzwischen eingestellt. In beiden Fällen sollen Partygäste zum Song eines italienischen DJs rassistische Parolen gebrüllt haben.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Köln war es in Bergneustadt aber nicht möglich, Tatverdächtige zu ermitteln. In Reichshof sah die Staatsanwaltschaft Bonn den Tatbestand der Volksverhetzung durch die Parolen nicht erfüllt.

DJ: "Genau hinhören beim Publikum"

Marc Pesch aus Grevenbroich, der seit vielen Jahren regelmäßig als DJ in Clubs, auf Festivals sowie Volksfesten im Raum Düsseldorf auflegt, hat bisher keine negativen Erfahrungen mit dem Song gemacht, im Gegenteil: "Zu dem Song feiern und tanzen die Leute gerne, ohne jede rechte Grölerei", so Pesch.

Nach dem Vorfall auf Sylt müsse man aber natürlich wachsam sein und genau hinhören. "Wenn es dann zu rechten Parolen kommen sollte, dann muss man auch einschreiten. Dann würde ich den Song auch abbrechen und den Sicherheitsdienst informieren", erklärt Pesch, der in diesem Jahr auch wieder auf der Düsseldorfer Rheinkirmes auftreten wird.

Veranstalter wollen Song nicht verbieten

Kein Song-Verbot auf der Rheinkirmes geplant | Bildquelle: WDR / Peter Hild

Mehrere Veranstalter größerer Volksfeste in NRW wollen den Song trotz der Vorfälle aber nicht verbieten. "Wenn jemand rechte Parolen dazu grölt, sollte er aus dem Zelt verwiesen werden. Deshalb würde ich den Song aber nicht verbieten", sagt Andreas-Paul Stieber, Chef der Düsseldorfer St. Sebastianus-Schützen, die die Rheinkirmes veranstalten.

Die Kirmes-Organisatoren werden nochmal mit den Wirten und Zeltbetreibern Gespräche führen, um für das Thema zu sensibilisieren, so Stieber. Beim Düsseldorfer Kirmespublikum rechne er jedoch nicht mit solchen rassistischen Ausfällen.

Die Vertreter der Cranger Kirmes in Herne erwarten ebenfalls keine Probleme mit rechten Grölern. Sie wollen die großen Volksfeste vor ihrem Event aber beobachten. Und auch für das große Bürgerschützenfest in Neuss Ende August sieht Schützenpräsident Martin Flecken kein Verbot des Liedes: "Wenn wir jetzt überall zurückweichen, geben wir den Rechten nur noch mehr Raum."

Anmerkung der Redaktion vom 13.06.2024:

Der WDR hat sich entschieden das Video unverpixelt zu zeigen, da es ein zeitgeschichtliches Ereignis darstellt, an dem die Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse hatte. Der Begriff der Zeitgeschichte umfasst damit nicht nur Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, sondern alle Gegenstände, die ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit betreffen. Dazu zählen nicht nur sämtliche Ereignisse, die aus irgendeinem Grund in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten sind, sondern alle Angelegenheiten, die für die Meinungsbildung der Allgemeinheit von Bedeutung sind. Zudem handelt es sich bei den abgebildeten Personen um erwachsene Personen, die gewusst haben, was sie in einem in die Öffentlichkeit hineinragenden Ort taten, und denen auch bewusst war, dass sie gefilmt werden. Durch ihr Verhalten in einer zumindest halb-öffentlichen Situation haben sie sich damit selbst so exponiert, dass sie damit rechnen mussten, dass ihr Verhalten öffentlich wird.

Ziel der Berichterstattung war und ist es, die Vorkommnisse unverblümt darzustellen, um auf dieser Grundlage einen Beitrag zu der durch das Video ausgelösten gesellschaftlichen Debatte zu liefern. Aufgrund der abnehmenden Aktualität haben wir entschieden, die Personen auf dem Video nachträglich unkenntlich zu machen.

Quellen:

  • Staatsanwaltschaft Wuppertal
  • Staatsanwaltschaft Bonn
  • Staatsanwaltschaft Köln
  • Polizei Hochsauerlandkreis
  • WDR-Interview Andreas-Paul Stieber, St. Sebastianus-Schützen Düsseldorf
  • WDR-Interview Martin Flecken, Bürgerschützenverein Neuss
  • WDR-Interview Alexander Christian, Sprecher Cranger Kirmes
  • WDR-Interview Marc Pesch, DJ