Der große RWE-Bagger steht nur noch 60 Meter entfernt von Lützerath. In den nächsten Tagen könnte der besetzte Ort geräumt werden. Einst war Lützerath eine kleine Siedlung, ein paar Höfe, ein paar Häuser mit rund hundert Einwohnern. Es gehörte zum Ortsteil Immerath. Heute ist Lützerath ein Hotspot für die Klimabewegung. Hier entscheide sich, ob Deutschland seine Klimaziele erreiche, sagen die Aktivisten.
Ronni Zepplin aus Berlin lebt seit zwei Jahren in Lützerath. Teilweise sind die Höfe und Häuser dort schon abgerissen. Zwei große Bauernhöfe gibt es noch und kleine Einfamilienhäuser. Diese verlassenen Gebäude wurden mittlerweile von Klimaaktivisten besetzt. Über Weihnachten war Ronni noch einmal kurz bei ihren Eltern, erzählt sie, jetzt will sich sich gegen die bevorstehende Räumung wehren.
Aktivisten wollen Räumung stoppen
“Ich werde jetzt nochmal alles geben, um dafür zu kämpfen, dass wir endlich stoppen mit diesem tödlichen `Weiter so´, was die Politik hier abgesiegelt hat”, sagt die Anfang Zwanzigjährige. In Lützerath nimmt Ronni an vielen Workshops teil. Sie erzählt, dass die Aktivistenszene eine heterogene Gruppe sei. Es werde zwar vieles im Rahmen eines Plenums besprochen, aber eigentlich sei jeder frei in seinen Entscheidungen.
Viel Unterstützung aus der Bevölkerung
Ronni erzählt, dass sie Angst davor habe, dass die Millionen Tonnen Kohle unter Lützerath noch verbrannt werden. “Weil wir dann weiter in die Klimakatastrophe rasen und das unsere Lebensgrundlage zerstört”, erzählt die Berlinerin weiter. Auch wenn in dem Camp nur Aktivisten wohnen, Unterstützung kommt auch von den Bewohnern der umliegenden Dörfer. Sie bringen zum Beispiel Lebensmittel vorbei. Das Camp finanziert aus Spenden. Als RWE vor wenigen Wochen die Stromleitung nach Lützerath kappte, baute Greenpeace umgehend mehrere Solaranlagen auf. Julia Riedel erzählt von ihrer Familie, dass ihr Bruder in einem bekannten Dax-Unternehmen arbeitet. Sie habe sich lieber der Klimabewegung angeschlossen. “Also meine Familie kann verstehen, was ich hier mache, weil es einfach sinnvoll und wichtig ist”, so die 29-Jährige.
Umstrittene Protestformen
Was die Aktivisten eint: die Forderung nach einem schnelleren Kohleausstieg und der Kampf gegen den Klimawandel. Aber es gibt auch unterschiedliche Meinungen. So waren nicht alle Aktivisten damit einverstanden, dass am vergangenen Montag Strohballen in Brand gesetzt wurden, als die Polizei Barrikaden abbauen wollte. Dafür habe es nicht nur Zustimmung gegeben. Natürlich gäbe es gewaltbereite Aktivisten in dem Camp, erzählt ein Bewohner. Aktionen des zivilen Ungehorsams seien wichtig, meint auch Julia Riedel – also Blockaden, Besetzungen oder auch das Eindringen in den Tagebau Garzweiler II.
Angst vor der Räumung
Wenige Tage vor der Räumung ist auch bei den Aktivisten die Anspannung zu spüren. Indigo Drau war schon bei der Räumung des Hambacher Forstes vor vier Jahren dabei. Sie habe natürlich Angst vor Räumung, erzählt Indigo. Angst, dass Menschen verletzt werden oder zu Schaden kommen. “Aber ich habe noch viel größere Angst davor, dass wir nicht ins Handeln kommen, was die Klimakrise anbelangt.”