Im Gerichtssaal ist der Angeklagte mit seinen Anwälten sowie die Strafkammer zu sehen.

Solinger Brandanschlag: Rassistische Gesinnung als Motiv?

Stand: 15.04.2025, 16:45 Uhr

Im Prozess um den tödlichen Brandanschlag in Solingen rückte erneut das mögliche Motiv des Angeklagten in den Fokus.

Von Portrait von Antonia RüllerAntonia Rüller

Vor Gericht ist es am Dienstag um die Frage gegangen, ob hinter der Tat ein rechtsextremistisches Motiv steckt. Bei Durchsuchungen waren Bücher, Fotos und Notizen entdeckt worden, die auf eine mögliche rechtsextreme Gesinnung des Angeklagten hinweisen könnten.

Ein Ermittler der Kriminalpolizei sagte aus, dass bei der Durchsuchung von Haus und Wohnung des Angeklagten NS-Literatur gefunden wurde – darunter Titel wie "Mein Kampf" und "Die Wehrmacht".

Diese Bücher seien in einer verlassenen Wohnung im Haus entdeckt worden. Laut Aussage des Polizisten soll dort bis 2019 der Vater des Angeklagten gelebt haben. Ihm hätten die Bücher allerdings auch nicht eindeutig zugeordnet werden können.

Über 200.000 Dateien ausgewertet

An eine Absperrung vor dem abgebrannten Haus wurde eine Blume geklemmt.

Gedenken an die Opfer des Brandanschlags

Im Gerichtssaal konfrontierte der Richter den Ermittler mit Widersprüchen in der Darstellung zur Wohnung des Angeklagten: Obwohl diese laut Aussagen seit fünf Jahren unbewohnt gewesen sei, fanden sich dort ein teilweise bezogenes Bett sowie ein Kalender aus dem Jahr 2024 – Hinweise darauf, dass die Wohnung kürzlich genutzt wurde. Die Partnerin des Angeklagten erklärte, möglicherweise habe dessen Bruder dort gelegentlich übernachtet.

Als der Richter den zuständigen Ermittler fragte, ob es dazu einen Bericht gebe, räumte dieser ein, den Vorgang lediglich als erledigt abgehakt zu haben. Auf die Frage, ob ihm dieser Widerspruch durchgerutscht sei, entgegnete er: "Gut möglich."

Kritik an fehlender Kommunikation zwischen Behörden

Die Polizei arbeitet seit Tagen mit einer Vielzahl von Beamten an der Auswertung der digitalen Beweismittel – eine gewaltige Aufgabe: Rund 200.000 Bilder sowie umfangreiche Browser-Verläufe aus mehreren Jahren müssen gesichtet werden.

Die Fotos der Bücher tauchten erst jetzt, ein Jahr nach der Tat, im Prozess auf. Ein ausführlicher Durchsuchungsbericht sei ebenfalls erst jetzt erstellt worden. Laut dem ermittelnden Beamten habe es offenbar keinen ausreichenden Informationsaustausch zwischen Kriminalpolizei und Staatsschutz gegeben.

Offener Brief von Initiativen

Mehr als 20 Organisationen, darunter "Wuppertal stellt sich quer" und der "Solinger Appell", haben ihr Interesse am heutigen Verhandlungstag angekündigt. Sie kritisieren, dass die Ermittlungsbehörden aus ihrer Sicht Hinweise auf eine rechtsextreme Motivation des Täters nicht ausreichend berücksichtigt haben.

Im Gerichtssaal ist der Angeklagte mit seinen Anwälten sowie die Strafkammer zu sehen.

Demonstranten sind zum Verhandlungstag gekommen.

In einem offenen Brief forderten die Initiativen vergangene Woche vollständige Transparenz und eine lückenlose Aufklärung. Sie werfen den Ermittlern vor, Erkenntnisse bewusst zurückgehalten zu haben. "Wir befürchten, dass ein mögliches rechtes Motiv systematisch ausgeblendet wird", heißt es darin.

Forderung nach Prüfung aller Hinweise

Bisherige Ermittlungen und Aussagen anderer Zeugen hatten ein eher widersprüchliches Bild ergeben. Laut Staatsschutz gebe es keine eindeutigen Hinweise auf eine gefestigte rechte Gesinnung. Dennoch wollen Nebenkläger und Unterstützer der Opferfamilie eine umfassende Prüfung aller neuen Hinweise.

Familie des Opfers leidet weiter

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einem Sofa.

Emil K. und seine Frau Gulka haben bei dem Anschlag alles verloren

Der Brandanschlag wurde im März 2024 in Solingen verübt. Der Angeklagte soll in dem Mehrfamilienhaus ein Feuer gelegt haben. Eine vierköpfige Familie aus Bulgarien starb: Ein 28-jähriger Mann, seine 29-jährige Ehefrau sowie ihre beiden kleinen Töchter im Alter von drei Jahren und wenigen Monaten. 21 weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.

Die Eltern des Familienvaters sind heute erstmals nicht im Gerichtssaal anwesend. Aus gesundheitlichen Gründen, wie ihr Anwalt mitteilt. Ein Urteil wird im Juni erwartet.

Unsere Quellen:

  • Landgericht Wuppertal
  • WDR-Reporter vor Ort

Über dieses Thema berichten wir am 15.04.2025 auch im Fernsehen: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr.