Er wollte sich nur ein Brötchen kaufen - plötzlich durchdrang ein Projektil aus einer Polizeiwaffe seinen Körper. Sehr viel Glück habe er gehabt, sagt der Mann, für den eine Mittagspause im vergangenen Jahr im Krankenhaus endet. In dem Fall, der bundesweit in den Schlagzeilen war, war er derjenige, der als "angeschossener Passant" genannt wurde.
Damals versuchten mehrere Polizisten, einen Randalierer festzunehmen und schossen mehrmals auf ihn. Dabei wird auch der unbeteiligte Passant verletzt. Mehr als ein halbes Jahr später wartet er immer noch auf eine Entschädigung. Er hat sich entschlossen, mit dem WDR zu sprechen. Auch, um Kritik zu üben.
14. November als zweiter Geburtstag
Am 14. November 2023 will der Mann in eine Bäckerei gehen, plötzlich hört er Schreie und Schüsse. In diesem Moment habe er sofort einen "stechenden, heißen, Schmerz" gespürt, erzählt er. Er schaut auf seine Hose und bemerkt einen roten Fleck, der immer größer wird.
Der Mann schafft es noch, in ein Geschäft "zu stolpern", wo Menschen ihm helfen. Im Krankenhaus wird er zwei Stunden lang operiert. Die Hauptaufgabe für die Mediziner besteht darin, Kleidungsreste aus dem Wundkanal zu entfernen, damit keine Infektionen auftreten.
Der operierende Arzt wird später sagen, dass er selten so einen langen Schusskanal gesehen hätte, in dem weder Arterien, Knochen oder Nerven getroffen wurden. Der Verletzte, so der Arzt, solle jeweils am 14. November seinen zweiten Geburtstag feiern.
Geschädigter soll Polizei Belege zeigen
Der Mann, dessen Gesicht nicht gezeigt und dessen Name nicht genannt werden soll, kann immer noch nicht längere Zeit sitzen, weil er sonst Schmerzen hat. Psychisch sei er recht stabil. Er hoffe, dass das so bleibt. Komischerweise, sagt der Mann, mache sein Kopf keine Probleme - selbst wenn er heute am Tatort vorbeilaufe.
Nach diesem besonderen und auch für die Polizei Gummersbach nicht alltäglichen Fall hat der angeschossene Passant auf eine unkomplizierte und zügige Entschädigung gehofft. Doch das ist nicht geschehen. "Es ist quasi noch gar nichts passiert. Darüber bin ich sehr enttäuscht", sagt er.
So werde er zum Beispiel aufgefordert, Quittungen und Fotos seiner durchschossenen Kleidung vorzulegen. Er hat aber keine Belege mehr und nach seiner Darstellung liegen die Kleidungsstücke in einer Asservatenkammer in Köln. Auch ist die Frage nach dem Schmerzensgeld nicht geklärt.
Polizisten handelten in Notwehr
Der Mann sagt, er sei nun in der Bringschuld. Es könne doch nicht sein, dass ein unbescholtener Bürger nach so einem Vorfall nicht kompensiert wird. Die zuständige Polizei in Gummersbach sagt, dass sie für Schäden aufkommt. Dazu brauche es nach Angaben einer Sprecherin Unterlagen, um den Sachschaden und auch "Personenschäden" nachweisen zu können.
"Wie ist er verletzt worden, welches Ausmaß hat die Verletzung?", das seien laut Sprecherin wesentliche Fragen. Man müsse den Schaden nachvollziehbar darlegen - es gehe um Steuergelder, die ausbezahlt werden.
Die Polizisten hatten in der Fußgängerzone 15 Schüsse auf den Flüchtenden abgegeben. Ungeachtet dessen, dass sich noch viele weitere Menschen dort aufhielten. Letztendlich hatte die Staatsanwaltschaft kein Fehlverhalten festgestellt, weil die Beamten in Notwehr gehandelt hätten.
Der getroffene Passant zeigt ein Foto mit seinen Verletzungen. Deutlich sind Ein- und Austrittsstellen der Kugel zu sehen. Der Standort der Polizei in Gummersbach und der Wohnort des angeschossenen Passanten liegen nicht so weit voneinander entfernt. Es könnte ein kurzer Dienstweg sein, um doch noch schnell und unkompliziert zu entschädigen.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Geschädigtem
- Polizei Oberbergischer Kreis