Die 18-Jährige hatte sich nach der Silvesternacht an die Kölner Beratungsstelle Lobby für Mädchen gewandt und dort von einer Vergewaltigung in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofes berichtet. Die Leiterin der Beratungsstelle hatte die Schilderungen der Frau im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zu der Kölner Silvesternacht öffentlich gemacht. Daraufhin hatte die Kölner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Frau selbst hatte keine Anzeige erstattet.
Jetzt erfuhr der WDR von zwei unabhängigen Quellen, dass eine Staatsanwältin die aus Norddeutschland stammende Frau als Zeugin angehört habe. Dabei habe sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft herausgestellt, dass die 18-Jährige Ende des Jahres nicht in Köln gewesen sei. Weitere Ermittlungen sollen ergeben haben, dass sie in der Vergangenheit mehrmals an verschiedenen Orten in Deutschland Anzeigen unter anderem wegen Sexualdelikten erstattet hatte, die sich im Nachhinein aber als haltlos erwiesen hätten.
Neue Dimension der Gewalt?
Die Kölner Staatsanwaltschaft will sich erst in der kommenden Woche zu dem Fall äußern. Auch die Kölner Frauenberatungsstelle will auf Anfrage des WDR keine Stellung nehmen: "Wir bitten um Verständnis, dass wir die aktuellen Meldungen nicht kommentieren können."
Der Kölner Polizei liegen acht Anzeigen wegen Vergewaltigung aus der Silvesternacht vor, sie alle beziehen sich allerdings auf ein Vorgehen der Täter mit Fingern. Der vorliegende Tatvorwurf der 18-Jährigen wäre der erste Fall, in dem sich eine Vergewaltigung mit Koitus ereignete. Im Untersuchungsausschuss hatte die Schildung der Beratungsstelle für Erstaunen und Entsetzen gesorgt, auch weil gesagt wurde, dass ein Polizist den Täter zeitweise festgesetzt hatte. "Das gibt dem Ganzen eine völlig neue Dimension", hatte die Piraten-Abgeordnete Simone Brand damals gesagt.
Ausschuss-Mitglieder fühlen sich getäuscht
Nun erscheint die Aussage der 18-Jährigen in einem anderen Licht: "Wenn man den aktuellen Meldungen Glauben schenken darf, dann ist es sehr bedauerlich, dass jemand die Vorfälle der Silvesternacht nutzt, um eine weitere Straftat zum eigenen Nachteil vorzutäuschen", sagte die Piraten-Abgeordnete Brand am Donnerstag dem WDR. "Die Aussagen klangen zunächst äußerst glaubwürdig, da die junge Frau sich bezüglich des angeblichen Vorfalls mehrere Monate in die Betreuung einer Beratungsstelle begeben hat." Nichtsdestotrotz seien in der Silvesternacht viele Opfer zu beklagen. "Und das heißt für uns, jetzt weiter an unserem Aufklärungsauftrag im Untersuchungsausschuss zu arbeiten.“
Marc Lürbke, Obmann der FDP-Fraktion im Untersuchungsausschuss, sagte: "Die Ermittlungen laufen und deshalb gilt es, die Ergebnisse der Ermittlungsbehörden abzuwarten." Die Arbeit des Ausschusses werde dadurch aber nicht beeinträchtigt. "Die FDP wird sich weiterhin im Untersuchungsausschuss für eine bestmögliche Aufklärung der Geschehnisse der Silvesternacht und einen effektiven Opferschutz stark machen." Auch die SPD-Fraktion will nach Angaben des zuständigen Referenten im Ausschuss "mit der gebotenen Sensibilität" weiterarbeiten: "Wir werden nichts befürworten, was die Arbeit des Vereins „Lobby für Mädchen“ oder die Situation der Geschädigten selbst gegebenenfalls belastet oder erschwert."
CDU: Beratungsstellen sollen auf Anzeigen hinwirken
"Sollte sich bewahrheiten, dass die Vergewaltigung nicht stattgefunden hat, wäre das erst mal eine gute Nachricht", so der Obmann der Grünen im Ausschuss, Matthi Bolte. Allerdings wäre den Frauen ein "Bärendienst" erwiesen, die sexualisierte Gewalt nicht zur Anzeige brächten, weil sie Angst hätten, man glaube ihnen nicht. Ähnlich äußerte sich Ina Scharrenbach von der CDU im WDR-Interview zur möglicherweise vorgetäuschten Vergewaltigung: "Das wäre ein Schlag ins Gesicht derer, die wirklich Opfer geworden sind." Was die 1.200 Anzeigen nach der Kölner Silvesternacht betrifft, so habe der Oberstaatsanwalt nur bei zwei Anzeigen Zweifel am Wahrheitsgehalt geäußert. Darüberhinaus wünschte sie sich von den Frauenberatungsstellen, dass die enger mit der Polizei zusammen arbeiteten: "Die Anzeige hilft auch anderen Frauen."