Protestaktion gegen Woelki in Köln: Der klammernde Kardinal
Stand: 30.06.2023, 18:17 Uhr
Mit einem Karnevalswagen vor dem Kölner Dom kritisiert die Aktionsgruppe "11. Gebot" die Kirche. Der Protest richtet sich gegen die Vertuschung von Missbrauch und fordert eine angemessene Entschädigung für Betroffene.
Von Christina Zühlke
"Der Kardinal macht unsere Kirche kaputt", diesen Satz sagen Kölner Gläubige schon seit mehr als zwei Jahren. Rainer Maria Woelki klammere sich an sein Amt, so lautet häufig die Kritik.
Die Institution Kirche sei ihm wichtiger als Gerechtigkeit für Betroffene von sexualisierter Gewalt durch Priester. Das soll jetzt auch der Karnevalswagen zeigen, der seit Freitagnachmittag auf der Kölner Domplatte steht.
"Der richtige Zeitpunkt für diese Aktion"
Die Großskulptur des Düsseldorfer Wagenbauers Jacques Tilly zeigt Kardinal Woelki, der sich - vom Teufel namens "Missbrauchsskandal" bedroht - verzweifelt an den Kölner Dom klammert und dadurch einen seiner Türme zum Einsturz bringt.
"Gleich, als ich diese Skulptur das erste Mal sah, wusste ich, dass wir sie auf die Domplatte bringen müssen", erklärt der Leiter der Aktionsgruppe "11. Gebot", David Farago.
Nachdem erstmals ein Kölner Gericht einem Betroffenen des Missbrauchsskandals eine hohe Entschädigungssumme zugesprochen habe und nachdem Ermittlungen gegen Kardinal Woelki eingeleitet worden seien, "scheint uns der richtige Zeitpunkt für diese Aktion gekommen zu sein."
Betroffene wollen auf sich aufmerksam machen
Finanziert wird der Protest von der Giordano Bruno Stiftung, die sich selbst "Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung" nennt. Die Stiftung ist Teil des deutschlandweiten "Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen". Dazu gehören auch Betroffenengruppen aus Nordrhein-Westfalen.
"Wir ergreifen als Betroffene die Gelegenheit, die Öffentlichkeit mal wieder auf uns aufmerksam zu machen", sagt Karl Haucke dem WDR. Er selbst wurde als Kind jahrelang im Internat von einem Geistlichen missbraucht.
Massenhafte Austritte aus Katholischer Kirche
Im Betroffenen-Beirat des Kölner Erzbistums wollte er sich für Aufarbeitung engagieren, gab aber frustriert und verletzt auf. "Wir Betroffenen, der Umgang mit uns, liefert die Erklärung für die Kirchenaustritte", sagt Karl Haucke, der sich heute im Betroffenenrat der Bundesregierung engagiert.
Über eine halbe Millionen Menschen sind im vergangenen Jahr aus der katholischen Kirche ausgetreten. Das gab die deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch bekannt. Im Vergleich der Bistümer lebten die meisten Gläubigen, die austraten, im größten deutschen Bistum, in Köln.
"Täter werden geschützt, Opfer ignoriert"
Der klammernde Bischof war als Karnevalswagen zum ersten Mal im Rosenmontagszug in Düsseldorf in diesem Jahr zu sehen. Es ist nicht die erste Figur von Wagenbauer Jacques Tilly, die später vor dem Kölner Dom auftauchte. Weltweit für Schlagzeilen sorgte der sogenannte "Hängematten-Bischof" mit der Aufschrift: "11 Jahre schonungslose Aufarbeitung der Missbrauchsfälle!"
Künstler Jacques Tilly freut sich, den Betroffenen eine Stimme geben zu können: "Auch 13 Jahre nach dem Bekanntwerden der gigantischen Dimension der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, werden die Täter immer noch geschützt und die Opfer weitgehend ignoriert." Tilly hatte bereits mehrere kirchenkritische Wagen für den Düsseldorfer Rosenmontagszug gebaut. "Der Name Woelki steht beispielhaft für diese skandalöse Praxis", sagt Tilly dem WDR.
"Größte Menschenrechtsverletzung nach dem Krieg"
Der Vorstandsprecher der Giordano Bruno Stiftung forderte vor allem mehr und größere Entschädigungen für Betroffene: "Als wir 2006 auf die physische, psychische und sexuelle Gewalt aufmerksam machten, die vor allem Heim- und Internatskinder in kirchlichen Einrichtungen erleiden mussten, wurden wir als militante Kirchenhasser abgestempelt."
Michael Schmidt-Salomon erinnert sich: "Die Öffentlichkeit wollte es nicht wahrhaben, dass ausgerechnet in kirchlichen Institutionen die größten Menschenrechtsverletzungen nach dem Krieg stattgefunden haben."
Betroffene fordern angemessene Entschädigungen
Dies habe sich inzwischen geändert: "Da der Skandal nun nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden kann, ist es an der Zeit, angemessene Entschädigungen zu zahlen."
Die deutschen Kirchen seien die reichsten der Welt und würden immer noch für Enteignungen staatlich entschädigt, die vor 200 Jahren stattgefunden haben. "Es wäre völlig illegitim, wenn die Kirchen bei einer Tat, die vor 35 Jahren stattgefunden hat, auf Verjährung pochen würden."
Der klammernde Bischof wird auch am Samstag und Sonntag zwischen 11 und 22 Uhr auf der Domplatte zu sehen sein.
Das Erzbistum hat sich auf WDR-Anfrage bislang nicht zu den Protesten geäußert.
Über dieses Thema berichten wir am 30. Juni 2023 im Hörfunk - auf WDR 2 und im Fernsehen in der Lokalzeit Köln.