Der Zeuge, Oliver Vogt, sitzt im Flur vor dem Gerichtssaal. Der ehemalige Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums Köln kann sehen, wie immer mehr Journalistinnen und Journalisten an ihm vorbei in den Gerichtssaal gehen, in dem er gleich aussagen soll. Als der Richter ihn in den Raum ruft, merkt man seine Anspannung, aber auch eine große Konzentration. Mit ruhiger Stimme beantwortet er die Fragen des Richters, erklärt ungewöhnliche Begriffe aus der Kirchensprache und fragt, ob er Ergänzungen machen dürfe.
Im Prozess geht es eigentlich darum, ob die "Bild"-Zeitung richtig oder falsch über Woelki berichtet hat. Aber im Mittelpunkt steht schon lange eine ganze andere Frage: Hat der Kölner Kardinal in einer eidesstattlichen Versicherung gelogen? Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Oliver Vogt wird gleich sagen, dass er seit 2015 mehrfach mit dem Kardinal über den Fall des Priesters gesprochen hat. Reicht das, um aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eine Anklage zu machen?
Eidesstattliche Versicherung durch Woelki: Zweifel an Wahrheitsgehalt
Bei der Klage des Kardinals gegen die "Bild"-Zeitung soll geklärt werden, ob Kardinal Woelki einen Priester 2017 beförderte, von dem er wusste, dass er des Missbrauchs beschuldigt worden war. Die "Bild"-Zeitung hatte im Mai 2021 online darüber geschrieben. Woelki hat in dem Verfahren eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Weil es an ihrem Wahrheitsgehalt Zweifel gibt, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen den Kardinal.
Warnschreiben der Polizei zu verurteiltem Priester
Dem Priester wird vorgeworfen 2001, sexuellen Kontakt mit einem obdachlosen jugendlichen Prostituierten in Köln gehabt zu haben. Hinzu kommen andere Beschwerden aus früherer Zeit, etwa über Saunabesuche mit Jugendlichen. In seiner Akte befindet sich ein Warnschreiben der Polizei, ebenfalls von 2001. Der Priester solle besser in einem Aufgabengebiet eingesetzt werden, "in dem er keinen sexuellen Kontakt zu ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen (z.B. Messdiener etc.) aufnehmen kann". Trotzdem beförderte Woelki ihn zum stellvertretenden Stadtdechanten, einer Art Regionalchef im Bistum.
Oliver Vogt sagte vor Gericht, er kenne das Warnschreiben der Polizei. Die Personalakte selbst kenne er nicht. Er habe aber für Woelki alle Informationen zusammengefasst, denn es stand die Frage im Raum, ob der Pfarrer in einer offiziellen Anhörung zu den Vorwürfen befragt werden solle. Die Entscheidung über die Anhörung durfte nur der Erzbischof treffen. Und er traf sie: Oliver Vogt führte die Befragung durch.
Zeuge geht von umfassender Information aus
Vogt sagte vor Gericht außerdem: "Ich gehe davon aus, dass Kardinal Woelki alle Informationen hatte, denn ich habe sie ihm in der Interventionsakte zusammengefasst." Dass die beiden relevanten Dokumente – der warnende Polizeibericht und ein Gesprächsprotokoll – unter den zusammengestellten Unterlagen waren, konnte Vogt auf Nachfrage im Gericht nicht bestätigen. Er könne sich daran nicht erinnern. Die Interventionsakte ist eine Akte, die zusätzlich zu Personalakten bei Missbrauchstaten geführt wurde.
Im Interview mit dem WDR ergänzte Vogt nach seiner Aussage: "Ich gehe davon aus, dass Kardinal Woelki wusste, wen er befördert, weil es im Jahre 2015 eine Vernehmung des Pfarrers gegeben hat." Im Vorfeld dieser Vernehmung habe er dem Kardinal alle bekannten Unterlagen zusammengefasst. Da die Polizeiwarnung aus dem Jahr 2001 stammt, dürfte sie demnach bei den Unterlagen dabei gewesen sein.
Kardinal Woelki bleibt hingegen dabei, dass er die Polizei-Warnung bei der Beförderung des Priesters 2017 nicht gekannt habe. Das steht auch in seiner eidesstattlichen Versicherung. Er habe die Polizei-Warnung weder von Oliver Vogt bekommen noch anderweitig gelesen.
Auch das Protokoll der Vernehmung lag dem Kardinal vor der Beförderung vor. Es hatte später zur Folge, dass der Fall dem Vatikan gemeldet wurde. Dort wurde allerdings im Jahr 2022 entschieden, dass der Pfarrer aus Rom keine Strafe zu erwarten hat.
Oliver Vogt sagte im WDR außerdem, dass er sich frage, warum er vor Gericht als Zeuge erscheinen müsse, obwohl er gar keinen Zugang mehr zu den Akten habe: "Die, die es betrifft, sind hier nicht geladen." Dabei gebe es doch eine neue Interventionsbeauftragte, einen Personalchef und natürlich Kardinal Woelki persönlich.
Auf die Möglichkeit, dass auch der Kardinal selbst vernommen werden könnte, wies auch die "Bild"-Zeitung in einem Statement nach dem Prozesstag hin.
Für die "Bild"-Zeitung ist Vogts Aussage vermutlich noch nicht der entscheidende Beweis um die Berichterstattung zu rechtfertigen. Gut für Woelki: Vogt konnte nicht sicher bestätigen, dass der Kardinal die Informationen auch wirklich gelesen hat.
Für das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft könnte es für Woelki anders aussehen. Da bleibt die Frage, ob die Aussage des ehemaligen Missbrauchs-Beauftragten Vogt ein weiterer Baustein sein könnte, um Woelki anzuklagen.