Vor 80 Jahren: Konzentrationslager in Bochum werden aufgelöst

Lokalzeit Ruhr 18.03.2025 03:17 Min. Verfügbar bis 18.03.2027 WDR Von Rainer Kuka

Vor 80 Jahren: Konzentrationslager in Bochum werden aufgelöst

Stand: 18.03.2025, 17:33 Uhr

Am 18. März 1945 werden in Bochum zwei Außenstellen des KZ Buchenwald aufgelöst. Über ein dunkles Kapitel der Bochumer Geschichte.

Von Stefan Weisemann

Das Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers beim Bochumer Verein in einer Nachkriegsaufnahme aus dem Jahr 1954

Bei Konzentrationslagern denkt man in der Regel an Orte wie Auschwitz oder Buchenwald. Aber nicht unbedingt an Bochum. Doch auch hier gab es zum Ende des Zweiten Weltkriegs zwei Außenlager des KZ Buchenwald. Rund 2000 Menschen, vor allem Juden, waren dort eingesperrt und mussten hart arbeiten. Viele starben. Am 18. März 1945 wurden die beiden Lager aufgelöst.

Das erste Lager war im Juni 1944 auf dem Gelände des Bochumer Vereins eingerichtet worden. Die Rüstungsindustrie brauchte zu diesem Zeitpunkt weitere Arbeitskräfte. Die ersten Häftlinge waren rund 450 Männer aus dem KZ Auschwitz. Sie mussten das Lager selbst bauen, mit 17 Baracken, Wachtürmen und einem Elektrozaun drumherum.

Dieses Lager in Bochum gehörte zum Bochumer Verein und war eines der schlimmsten KZs, die ich erlebt habe. Rolf Abrahamson, Überlebender des Lagers (†2021)
Rolf Abrahamson bei der Einweihung des Mahnmals für das KZ-Außenlager in Bochum

Rolf Abrahamson hat das KZ in Bochum überlebt und davon berichtet

In dem Lager waren vor allem Juden eingesperrt. Rolf Abrahamson war einer von ihnen. Und einer der wenigen, die es überlebt haben. Vor vier Jahren ist er gestorben, hat vorher aber an verschiedenen Stellen über seine Zeit im Lager erzählt.

Brutale Strafen und lebensgefährliche Arbeit

In der Geschossfabrik des Bochumer Vereins müssen die Häftlinge im Akkord Granaten und Hülsen herstellen. In zwei Schichten von jeweils zwölf Stunden. Schutzkleidung bekommen sie nicht. Mit bloßen Händen müssen sie glühende Metallteile anfassen. Schwerste Verbrennungen und andere Arbeitsunfälle sind an der Tagesordnung. Wer ein bestimmtes Pensum nicht schafft, wird brutal bestraft.

Der Alltag im Lager ist ähnlich brutal. Um die Bewachung der Häftlinge kümmern sich Wachen der SS. Besonders Lagerkommandant Hermann Großmann ist gefürchtet. Er läuft meistens mit seinem bissigen Schäferhund durch das Lager und misshandelt regelmäßig Häftlinge. Nach der Nazi-Zeit wird er zum Tode verurteilt.

Viele Todesopfer im Bochumer KZ

Zu den brutalen Strafen kommt der ständige Hunger. "Es gab einmal am Tag eine Nahrungsmittelausgabe, mit einer dünnen Suppe, einem Stückchen Brot und einem dünnen Kaffeeersatz", sagt Ingrid Wölk, die ehemalige Leiterin des Bochumer Stadtarchivs.

Viele Häftlinge sterben vor Hunger und Erschöpfung. Andere durch Misshandlungen oder Hinrichtungen. In den Unterlagen haben die Werksärzte des Bochumer Vereins 108 Todesopfer verzeichnet. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.

Lager in Bochum werden aufgelöst

Im März 1945 rücken alliierte Soldaten immer weiter auf das Ruhrgebiet zu. Die Nazi-Verwaltung entscheidet, dass das Lager des Bochumer Vereins geräumt wird. Ebenso ein zweites KZ-Außenlager der Eisen- und Hüttenwerke AG an der Castroper Straße in Bochum. Der Feind ist zu nah, es droht die Entdeckung der Lager. Am 18. März 1945 werden sie aufgelöst.

Knapp 2000 Häftlinge werden an diesem Tag in Bochum in Eisenbahnwaggons gepfercht. Das Ziel: Das KZ Buchenwald. "Es war sehr eng, die Züge waren überfüllt, die Menschen haben nichts zu essen oder zu trinken bekommen", sagt Wölk. Drei Tage dauert die Fahrt. Viele überleben sie nicht. Wer überlebt, wird anschließend auf einen der berüchtigten "Todesmärsche" geschickt.

Mahnmal erinnert an KZ in Bochum

Ein Zementrohr auf einem gemauerten Sockel steht als Mahnmal an der Stelle eines früheren Konzentrationslagers in Bochum

Gedenken an das Bochumer KZ: Ein Zementrohr als Mahnmal

Wo früher das KZ des Bochumer Vereins war, ist heute eine freie Fläche in einem Gewerbegebiet. Dort liegt als Mahnmal ein Zementrohr. Ein solches hat Abrahamson bei einem Luftangriff das Leben gerettet. In ihm hat er sich vor den tödlichen Bombensplittern geschützt. Daneben liegen Blumen, denn Abrahamson hätte vor Kurzem seinen 100. Geburtstag gefeiert.

Auch eine Tafel und eine Stolperschwelle aus Messing erinnern an die Geschichte des Bochumer Lagers: "Bis zu 2000 Häftlinge mussten hier im Außenlager des KZ Buchenwald Zwangsarbeit leisten. Durch unmenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen, Misshandlungen und Bombenangriffe fanden viele den Tod", steht darauf.

Erinnerung soll wachgehalten werden

Eine Tafel an einer Wand im ehemaligen Nordbahnhof erinnert an Zwangsarbeit in Bochum

Erinnerung auch im ehemaligen Nordbahnhof in Bochum

Auch im ehemaligen Nordbahnhof in der Bochumer Innenstadt wird die Erinnerung wach gehalten. Der Bahnhof war damals einer der Orte, an dem viele Häftlinge angekommen sind oder abtransportiert wurden. Eine kleine Ausstellung mit Bildern und Zitaten erinnert daran. Der Titel: "Drehscheibe des Terrors".

Die ehemalige Stadtarchiv-Chefin hofft, dass sich noch möglichst viele Menschen mit der Geschichte der Bochumer Konzentrationslager beschäftigen. Sie mahnt: "Schaut in die Geschichte, dann seht ihr, was in der Zukunft passieren kann."

Vor 80 Jahren: Konzentrationslager in Bochum werden aufgelöst

WDR Studios NRW 18.03.2025 05:02 Min. Verfügbar bis 18.03.2027 WDR Online


Unsere Quellen:

  • Stadtarchiv Bochum
  • Ingrid Wölk, ehemalige Leiterin des Bochumer Stadtarchivs
  • Zitate von Rolf Abrahamson
  • WDR-Reporter

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