Brandserie im Essener Norden: "Macheten-Mann" als Gefährder bekannt

Lokalzeit Ruhr 18.12.2024 03:19 Min. Verfügbar bis 18.12.2026 WDR Von Carmen Krafft-Dahlhoff

Brandserie in Essen: "Macheten-Mann" war als Gefährder bekannt

Stand: 19.12.2024, 16:13 Uhr

Er soll Todesdrohungen ausgesprochen, seiner Ex und den gemeinsamen Kindern aufgelauert und deren Nachbarn mit dem Messer gedroht haben: Nach der Brandserie im Essener Norden erhebt das Umfeld des Beschuldigten Shadi A. neue schwere Vorwürfe. Seine Betreuung in einem Polizei-Programm für Gefährder blieb offenbar erfolglos.

Von Carmen Krafft

Drei Monate nachdem der 41-Jährige Shadi A. verhaftet wurde, weil er in Essen zwei Wohnhäuser in Brand gesetzt haben soll, sind viele Familien weiter obdachlos. Über 30 Personen wurden verletzt, darunter viele Kinder. Die Polizei vermutet, dass ein Konflikt mit seiner ehemaligen Frau und den Kindern zu der vorgeworfenen Tat führte. Die lebt jetzt in einem Frauenhaus.

Wie geht es den Bewohnern des Brandhauses?

Portrit von Mohammed Al Soudi

Die Familie von Mohamed Al Soudi erstattete Anzeigen gegen Shadi A.

Der ehemalige Nachbar Mohamed Alsoudi  (17) sitzt mit seinen Eltern und einer seiner kleinen Schwester in der Küche einer Ferienwohnung. Ihr Vermieter hat sie vorerst als Ersatz für die ausgebrannte Wohnung angemietet. Sie wohnten bis zum Brand neben dem Haus der Ex-Frau des Brandstifters Shadi A. Der sitzt bis auf Weiteres in U-Haft.

Vergeblich Schutz bei der Polizei gesucht

Die Familie Al Soudi sitzt an einem Tisch

Familie Al Soudi mit Mohamed

Mohamed geht zur Gesamtschule, spricht fast perfekt Deutsch. Er fragt das, was viele Betroffene bewegt: Hätte die Polizei Shadi A. nicht aufhalten können und die Brände mit den Verletzten verhindern können? "Wir haben ihn Anfang 2023 zweimal angezeigt. Er hat uns bedroht." Mohameds Vater ist ein schmaler Mann, der aus Syrien geflohen ist. Er hat bis 2023 bei Amazon Pakete ausgefahren. Der Vater sagt: "Ich habe aufgehört zu arbeiten. Ich musste meine Familie tagsüber vor Shadi beschützen."

Vorwurf: ständig unter Drogen

Verpixeltes Portrait von Shadi A.

Der 41-jährige sitzt in Untersuchungshaft

Angst vor Shadi A. haben auch andere Nachbarn. Sie beschreiben den 41-Jährigen als unberechenbar, wahnhaft und gewaltbereit, der seit fast einem Jahr in dem Wohnumfeld seiner ehemaligen Frau verängstige: "Einmal bin ich runter auf den Parkplatz vor unserer damaligen Wohnung. Er hatte ein sehr großes Messer in der Hand. Damit versuchte er mich einzuschüchtern." Die herbeigerufene Polizei habe ihm versichert, auf Shadi A. eingewirkt zu haben. Danach sei nichts passiert.

Wir treffen weitere Nachbarn, die ebenfalls von Anzeigen bei der Polizei Anfang 2023 erzählen. Er soll ständig unter Drogen gestanden und mit seinem Lieferwagen umhergefahren sein. Mindestens zwei Nachbarn hatten nach WDR Informationen die Polizei Essen mehrmals nach konkreten Bedrohungen um Hilfe gebeten und Anzeige erstattet. Unter anderem machte man sich Sorgen, dass Shadi A. sein Auto als Waffe einsetzt. Zurecht wie sich zeigen sollte.  

Rückblick auf den 28. September 2024

Ein Haus aus dem Rauch aufsteigt. Eine Person reicht ein Kind von einem Balkon, zu einer weiteren Person auf einer Leiter herunter.

Nachbarn versuchen Kinder vor giftigem Rauchgas in Sicherheit zu bringen

Eine Machete hatte Shadi A. in Angriffshaltung in der Hand, als er am 28. September 2024 einen Gemüseladen stürmen wollte. Davor soll er mit seinem Auto in einen anderen Gemüseladen gefahren sein. So ist es jedenfalls auf den Handyvideos zu sehen, die Nachbarn uns zeigen. Nachbarn hatten damals auch den möglichen Angriff mit der Machete gestoppt. Wenige Minuten vorher hatten die beiden Wohnhäuser angefangen zu brennen. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Shadi A.  Der aber will sich an nichts erinnern.

Hätte die Polizei Shadi A. aufhalten können?

Die Polizei Essen berichtet auf Anfrage, dass Shadi A. seit Januar 2023 in einem speziellen Programm für potienzielle Gefährder und Amokläufer ("Periskop") betreut worden war. Es habe deutliche Hinweise darauf gegeben, dass der psychisch erkrankt war.  Warum also nahm ihn die Polizei nicht in Gewahrsam? "Psychisch kranke Personen haben dort nichts zu suchen", erläutert Matthias Werk, Polizei Essen.

Aber, auch der alarmierte Sozialpsychiatrische Dienst der Stadt Essen richtete nichts aus. Termine die dort gemacht wurden hatte Shadi A. nicht wahrgenommen. Nicht einmal den Führerschein nahm man dem "potenziellen Gefährder" ab.

Familiengericht ließ Shadi A.  nicht begutachten

Porträt der Rechtsanwältin Dagmar Schorn

Rechtsanwältin Dagmar Schorn vertritt die Ex-Frau von Shadi A.

Eine weitere Möglichkeit: Das Familiengericht Essen hätte über Shadi A. ein Gutachten erstellen lassen können. Seine Unterbringung in einer Psychiatrie wurde im Sommer 2024 sogar erwogen, aber nicht verfolgt. Das berichtet die Anwältin seiner Ex-Frau Dagmar Schorn dem WDR.

Shadi A. soll zum Beispiel den gemeinsamen Kindern vor der Essener Kita aufgelauert und gegen seine Ex-Frau Todesdrohungen ausgesprochen haben. Bei Gericht war dokumentiert, dass Shadi A. Wahnvorstellungen hatte und gegen vermeintliche Verfolger eine Gasflasche einsetzten wollte. Eine Gasflasche war später auch in mindestens einem Hauseingang der Brandhäuser gefunden worden.

Kinder sind traumatisiert

Das Familiengericht Essen äußerte sich auf Anfrage des WDR nicht zur Frage des Gewaltschutzes zumindest der Familie von Shadi A. Die Folgen der Taten eines offenkundig gefährlichen Mannes wiegen jedenfalls schwer. Während der 41-Jährige in U-Haft wohl noch länger auf seine Anklage warten dürfte, sind Kinder durch Bedrohungen und die Brände traumatisiert und suchen betroffene Familien weiter nach einem eigenen Dach über dem Kopf.  

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • Polizei Essen
  • Stadt Essen
  • Rechtsanwältin der Ex-Ehefrau
  • Ehemalige Bewohner der Brandhäuser