Dortmunder Spundwand jetzt „made in China“
Lokalzeit aus Dortmund. 04.10.2024. 03:19 Min.. Verfügbar bis 04.10.2026. WDR. Von Kay Bandermann.
Dortmunder Spundwand jetzt „made in China“
Stand: 07.10.2024, 16:19 Uhr
Vergeblich kämpften Stahlarbeiter 2015 für den Erhalt ihres Spundwand-Werkes. Jetzt werden "ihre" Produkte in China produziert.
Von Kay Bandermann
Auch neun Jahre danach erinnert sich Klaus Röhr an den Arbeitskampf, als sei es gestern gewesen. "Ich bin heute noch nicht darüber hinweg", sagt der frühere HSP-Mitarbeiter. "Das ist ganz bitter anzusehen", kommentiert er die Bilder, die er sieht aus China und aus Duisburg, wo aktuell Spundwände unterhalb der A40-Rheinbrücke Neuenkamp verbaut werden.
Spundwand: 120 Jahre alt und hochmodern
Mit Spezialgeräten werden am Rheinufer zehn Meter lange und mehr als eine Tonne schwere Profile in den Grund gebohrt. Hier entsteht eine Baugrube für das riesige Betonfundament eines Brückenpfeilers. "Das ist eigentlich eine der klassischen Verwendungen von Spundwänden", sagt Christian Garms, Mit-Gesellschafter der neuen Hoesch Spundwand und Projekte GmbH mit Sitz in Duisburg. Die anderen Einsatzorte sind Kanal- und Hafenausbauten.
1902 wurde diese in Z- oder U-Form geschmiedeten Profile in Dortmund entwickelt auf dem Gelände des Hoesch-Werks Union im Stadtteil Dorstfeld. Vor hier aus wurden sie in alle Welt verschifft – ein riesiger Exportschlager. 1999 übernahm der Salzgitter-Konzern das Werk und überraschte 15 Jahre später mit der Nachricht, die Anlage mit 350 Beschäftigten ersatzlos stillzulegen.
2015 nach Werksschließung 350 Stellen weg
Nicht nur "ersatzlos", sondern auch "grundlos", protestierten damals die Stahlarbeiter. Die Auftragsbücher waren voll. Sie demonstrierten beim Mutterkonzern in Salzgitter und zogen vor den Landtag in Düsseldorf, weil sie sich Unterstützung von der Politik erhofften. "Ein Produkt, für das es einen Bedarf gibt, einfach vom Markt zu nehmen: das macht doch keinen Sinn", sagt Ex-Mitarbeiter Klaus Röhr noch heute.
Es gab aber eine Vermutung. Gerüchten zufolge zog sich Salzgitter aus der Spundwandproduktion zurück, um seinen Mitbewerber Arcelor-Mittal das Feld zu überlassen. Im Gegenzug, so hieß es, würden die Luxemburger dem deutschen Unternehmen bei einer anderen Stahlsorte "entgegenkommen". Beweisen ließ sich das nie.
Christian Garms will sich an diesen Spekulationen nicht beteiligen. Damals – 2015 – suchten er und seine Mitgesellschafter potente Investoren, die das Dortmunder Werk übernehmen und weiterführen wollten. Obwohl es Interessenten gab, blieb der Salzgitter-Konzern bei seiner Linie. Ende 2015 wurde die letzte Spundwand "made in Dortmund" gewalzt. Das Werk wurde inzwischen komplett abgerissen.
Investoren sichern sich den Markennamen „Hoesch Spundwand“
Christian Garms, Hoesch Spundwand und Projekte GmbH
Unbemerkt von der Öffentlichkeit sicherten sich Garms & Co. die Produktionsunterlagen und den Markennamen "Hoesch Spundwand" und gründeten eine eigene Firma. In China fanden sie einen Jointventure-Partner, der 2018 ein nagelneues Profilwerk auf die grüne Wiese baute. Vor dort verkaufen sie die Spundwände unter dem deutschen Markennamen in alle Welt.
Einziger Schönheitsfehler: nach Deutschland wird nur wenig geliefert. Denn die Hoesch-Spundwand gilt als chinesischer Stahlimport. Und der ist in der EU kontingentiert. Lediglich 25.000 Tonnen pro Jahr sind zollfrei. Alles, was darüber liegt, wird mit 25 Prozent Zoll beaufschlagt. "Deshalb liefern wir mehr nach Großbritannien oder Norwegen als in die EU", erklärt Christian Garms.
Hochwasserschutz braucht Spundwand-Profile
Auch er sieht eine starke Nachfrage. "Der Klimawandel macht den Hochwasserschutz immer wichtiger. Dafür wird Spundwand gebraucht", so Garms. Deshalb würde er sich eine Lockerung der Einfuhrbestimmungen wünschen, damit mehr Wettbewerb herrscht. Derzeit gibt es in der EU nur zwei Werke in Luxemburg und Tschechien, die Spundwand liefern. "Ich fände es gut, wenn deutsche Spundwand-Kunden eine größere Auswahl hätten."
Unsere Quelle:
- WDR-Reporter
- Hoesch Spundwand GmbH Duisburg
Über dieses Thema berichtete der WDR am 04.10.2024 auch in der Lokalzeit aus Dortmund