Einen Tag nach den Schüssen auf das Rabbinerhaus in Essen dauert die Suche nach dem Täter noch an. Das teilte ein Sprecher der Polizei-Leitstelle Essen mit. Nach den Einschusslöchern an der Alten Synagoge haben Ermittler nun auch an der neuen Synagoge Beschädigungen entdeckt. Am Kuppeldach seien Löcher aufgefallen, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Anschlag stehen könnten.
Es handelt sich um zwei Löcher im Abstand von rund einem halben Meter, die einige Wochen alt sein sollen. Ob diese möglicherweise weitere Einschusslöcher einer scharfen Waffe sind, wird nun durch das Landeskriminalamt geprüft. Außerdem werden Videoaufnahmen ausgewertet, auf denen zu sehen ist, wie ein Mann mit einer Waffe vier Mal auf eine Eingangstür des Rabbinerhauses schießt.
Polizei verstärkt Präsenz an Alter Synagoge
Neben den Ermittlungen hat die Polizei nach dem Anschlag auch ihre Präsenz an dem Gebäudekomplex in der Essener Innenstadt verstärkt. Sie ist mit mindestens zwei Einsatzwagen vor Ort.
Hintergrund ist ein sogenannter Sensibilisierungserlass des Innenministeriums. Diesen hatte das Ministerium am Freitag als "sofortige Reaktion auf die Schüsse" an alle Kreispolizeibehörden gesandt. Darin werden die Behörden angewiesen, ihre Personen- und Objektschutzmaßnahmen "vor dem Hintergrund des Ereignisses in Essen" noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, wie das Ministerium auf dpa-Anfrage mitteilte.
Regelmäßige Veranstaltungen im "Haus jüdischer Kultur"
In dem getroffenen Gebäude ist ein Institut für deutsch-jüdische Geschichte untergebracht. Es grenzt direkt an die Alte Synagoge, die nicht mehr als Gotteshaus genutzt wird. Stattdessen befindet sich darin das "Haus jüdischer Kultur" der Stadt Essen. Dort finden regelmäßig Veranstaltungen statt und es gibt eine Ausstellung. Das Kulturdenkmal gehört zu den größten freistehenden Synagogenbauten Europas aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts.
Schüsse auf Rabbinerhaus beschäftigen auch den NRW-Landtag
Der Anschlag dürfte auch den NRW-Landtag beschäftigen. SPD und FDP haben eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. Die beiden Fraktionsparteien fordern in einem Schreiben, dass die Landesregierung über die Hintergründe der Tat und den Stand der Ermittlungen berichten soll. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Zudem solle die Landesregierung über die Maßnahmen zum Schutz von jüdischen Einrichtungen in NRW Auskunft geben.
"Schließlich bitten wir auch um Auskunft, welche Konsequenzen die Landesregierung aus der wachsenden Zahl an antisemitischen Übergriffen zieht", heißt es in dem gemeinsamen Antrag für die Sondersitzung. Ob und wann die Sitzung stattfindet, muss die Ausschussvorsitzende Angela Erwin (CDU) entscheiden. Der Termin könnte kommende Woche stattfinden.
Entsetzen nach Schüssen auf Alte Synagoge
SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty hatte den Anschlag am Freitag "eine Schande für unser Land" genannt. FDP-Fraktionschef Henning Höne hatte von einem niederträchtigen Angriff auf jüdisches Leben gesprochen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) reagiert schockiert bei Twitter.
Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) äußerte sich entsetzt über den "neuerlichen Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland".
Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht von Anschlag
Am Freitagmorgen waren vier Einschusslöcher an einer Sicherheitsglas-Tür zu dem Rabbinerhaus an der Synagoge entdeckt worden. Nach Angaben von Innenminister Herbert Reul (CDU) ist auf einem Video ein bislang unbekannter Mann als mutmaßlicher Täter zu sehen. Der Staatsschutz ermittelt. Reul sagte vor Ort: "Der Anschlag auf die Alte Synagoge in Essen erschüttert mich zutiefst. Die Jüdische Gemeinde kann sich darauf verlassen, dass wir alles tun, um den Täter schnellstmöglich zu ermitteln".
Mahnwache in Essen
Mehr als 50 Menschen kamen am Freitag am Tatort zu einer Mahnwache zusammen und stellten Kerzen auf. Dazu hatte das Bündnis "Essen stellt sich quer" aufgerufen.
Polizei sucht Zeugen
Die Polizei hat eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) gebildet, die sich um den Fall kümmert. Die Ermittler suchen Zeugen, die in der Nacht zum Freitag, konkret zwischen 20.00 und 1.00 Uhr, Beobachtungen rund um die Alte Synagoge gemacht haben.