Nach den Übergriffen in der Silvester-Nacht auf Polizei und Feuerwehr - auch in NRW - fordern Polizei-Gewerkschaften politische Konsequenzen. Vor allem in Berlin und Hamburg wurden Beamtinnen und Beamte mit Böllern und Raketen angegriffen. Damit nimmt auch die Diskussion über ein Böllerverbot wieder an Fahrt auf.
Silvester-Nacht: Dutzende verletzte Polizisten in NRW
Allein in NRW hat die Polizei 42 Verletzte zu beklagen. "42 verletzte Polizeibeamtinnen und Beamte in einer Nacht sind 42 zu viel", sagte Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) am Montag dem WDR.
Erich Rettinghaus, Deutsche Polizeigewerkschaft NRW
Die Übergriffe hätten eine andere Qualität als in der Zeit vor der Corona-Pandemie, so Rettinghaus. "Waren es seinerzeit Streitigkeiten, haben wir derzeit teils organisierte und geplante Delikte gegen Polizei und Feuerwehr, aber auch Tumultdelikte bei denen sich eine Vielzahl zusammenrottet, um gegen Polizei und Rettungsdienst vorzugehen."
Insbesondere in Berlin und Hamburg, aber auch in Bochum, Bonn, Essen und anderswo in NRW, waren Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei nach eigenen Angaben angegriffen worden - unter anderem mit Feuerwerk.
Ein Böllerverbot im öffentlichen Raum, also auf Straßen und Plätzen, das wünscht sich Michael Mertens, NRW-Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. "Wir müssen generell über dieses unsinnige Böllern im öffentlichen Raum - auch zu Silvester - diskutieren", sagte er am Montag dem WDR, "und aus meiner Sicht auch beschließen."
"Wenn wir schon kein Verbot von Böllern hinbekommen", so Erich Rettinghaus von der Deutschen Polizeigewerkschaft, dann müsse der Staat zumindest auf andere Weise "klare Zeichen setzen". Seine Forderungen:
- den vorhandenen Strafrahmen ausnutzen
- mehr Böllerverbotszonen
- zentrale Flächen, auf denen Feuerwerk abgebrannt werden darf
- "besser", so Rettinghaus: zentral organisierte Feuerwerke
- "noch besser": Ersatz durch Lichtershows
Innenminister: Angriffe aus Gruppen heraus
Reaktionen gab es auch aus der Landespolitik. Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, die Angriffe seien "meistens aus Gruppen junger Männer", aus der "Anonymität" in Großstädten erfolgt. Dies mache es teilweise nicht leicht, die Täter zu ermitteln. Er sprach von bisher landesweit rund 250 Fest- und Ingewahrsamnahmen in diesem Jahr. Härtere Strafen lehnte er ab, aber er forderte eine schnelle Bestrafung der überführten Tatverdächtigen durch die Justiz.
Der Sozialpsychologe Ulrich Wagner sagte im WDR, dass solche Aktionen gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte "symbolisch gegen den Staat" gerichtet seien. Es scheine sich zudem so etwas wie ein Ritus entwickelt zu haben - "eine Art Sport von jungen Leuten gegen staatliche Vertreter". Das müsse man unterbinden.
Angriffe auf Rettungskräfte sind Angriffe auf die ganze Gesellschaft", sagte SPD-Innenexpertin Christina Kampmann. Eine solche Verrohung sei nicht akzeptabel. Deshalb müsse es harte Strafen und eine konsequente strafrechtlich Verfolgung geben.
Außerdem bedürfe es einer konsequenteren Umsetzung der gesetzlichen Regelungen und "einer besseren materiellen Ausstattung zum Schutz von Rettungskräften", so die Landtagsabgeordnete.
Ob eine Ausstattung der Feuerwehr etwa mit Bodycams und anderen Kameras Besserung bringt, wird aber angezweifelt. "Kameras könnten dann einen Sinn haben, wenn sie wirklich abschrecken würden", sagte Christoph Schöneborn vom Feuerwehr-Verband NRW. "Aber wenn es sich um vermummte Täter handelt, dann bringen die Kameras auch keine Abschreckung. Und insofern muss man natürlich sagen, helfen uns nur Mittel, die wirklich die Lage verbessern – und das sehen wir in solchen Kameras nicht."
Ob es eine tatsächliche oder eine gefühlte Häufung solcher Vorfälle gibt, könne man nicht beurteilen, sagte der CDU-Innenexperte Christos Katzidis. Die Vorfälle sollten jetzt im Einzelnen erst einmal gründlich aufgearbeitet werden. Ein generelles Böllerverbot lehnte er ab.
Landespolitiker wollen Vorfälle auswerten
Auch die Grünen-Innenpolitikerin Julia Höller sagte, die "erschreckenden Taten und die Hintergründe" müssten von der Landespolitik genau angesehen werden. Man werde Lösungsvorschläge von Feuerwehr- und Polizeivertretern "diskutieren und prüfen". Schon jetzt hätten Kommunen die Möglichkeit, aus Sicherheitsgründen Feuerwerksverbotszonen einzurichten.
AfD-Fraktionschef Martin Vincentz sagte, die Strafen für Angriffe auf Rettungskräfte müssten verschärft werden. "Nur ein robust auftretender Rechtsstaat kann sich Respekt verschaffen und die Lage in den Griff bekommen." Feuerwehr-Vertreter Schöneborn indes forderte die konsequente Anwendung der geltenden Gesetze.
Der innenpolitische Sprecher der FDP, Marc Lürbke, sagte: "Besonders bei jugendlichen Tätern muss die Strafe auf dem Fuße folgen." Statt pauschaler Verbote brauche es eine "zielgenaue und spürbare Rechtsdurchsetzung gegen diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten".
Über dieses Thema berichten am 02.01.2023 auch "WDR aktuell" und die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.