Schulen und Kitas bleiben im ersten Corona-Winter geöffnet. Zum einen, weil die Bedeutung von Bildung weitgehend unstrittig ist und zum anderen, weil Eltern ohne Betreuungsengpässe ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor sind.
Ob diese Entscheidung mit Blick auf die Verbreitung des Coronavirus richtig ist, darüber scheiden sich die Geister.
Fast 116.000 junge Patienten getestet
Eine neue bundesweite Datenerhebung liefert nun erste Erkenntnisse: Sie lässt darauf schließen, dass das Ansteckungsrisiko mit dem Virus für Kinder in Kitas und Schulen möglicherweise deutlich geringer als angenommen ist. Die "Passauer Neuen Presse" berichtete zuerst darüber.
Im Rahmen ihrer Auswertung haben Mediziner die Daten von fast 116.000 jungen Patienten ausgewertet, die seit vergangenen Juli in knapp hundert deutschen Kinder- und Jugendkliniken routinemäßig auf Corona getestet worden seien. Bis zum Stichtag 18. November seien "im Mittel nur 0,53 Prozent der Kinder und Jugendlichen positiv" auf das Coronavirus getestet worden.
Von den 115.897 getesteten Kindern und Jugendlichen wurden 612 positiv auf das Coronavirus getestet. 48.292 dieser Testpersonen waren jünger als zwölf Jahre. In der jüngeren Altersgruppe gab es 217 positive Corona-Fälle, teilte Professor Matthias Keller, Ärztlicher Direktor der an der Studie beteiligten Kinderklinik Dritter Orden Passau, auf WDR-Anfrage mit.
"Schulen sind keine Superspreader-Orte"
Da der überwiegende Teil der Betroffenen wegen anderer Erkrankungen oder Verletzungen die Klinik aufsuchte, kommt das nach Ansicht der Ärzte einer "Zufallsstichprobe am nächsten". Zwar fallen neben wärmeren Monaten des Jahres auch die Sommer- und Herbstferien in den Erhebungszeitraum, aber diese Zahlen sind "relevant", sagt Julia Polke aus der WDR-Wissenschaftsredaktion.
Die Validität der Daten müsse man angesichts des kurzen Auswertungszeitraums einer genaueren Prüfung unterziehen, doch dieses erste Ergebnis bestätige "sehr viele andere Studienergebnisse".
Es gebe auch Untersuchungen, die andere Ergebnisse liefern, aber die Mehrzahl lasse doch folgenden Schluss zu: "Schulen sind keine Superspreader-Orte. Infektionen, die es an Schulen gibt, kommen eher aus dem privaten Umfeld", so Polke.
Corona-Maßnahmen an Schulen bleiben wichtig
Natürlich lasse sich jede wissenschaftliche Theorie nur so lange aufrechterhalten, bis sie widerlegt werde. Aber derzeit mache es den Anschein, "dass Schulen nicht Treiber der Pandemie sind", ist Julia Polke überzeugt. Daraus dürfe man nicht ableiten, dass in Sachen "Corona-Maßnahmen" an Schulen kein Handlungsbedarf bestehe. Es sei wissenschftlicher Konsens, dass Kinder sich infizieren und das Virus auch weitergeben. Beides aber eben scheinbar nicht in dem Maße wie zuweilen befürchtet.
Noch in der vergangenen Woche hatte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisiert, dass die Ausbreitung der Corona-Pandemie an Schulen unterschätzt werde. Er plädierte etwa dafür, Schulklassen zu halbieren. Ob die neuen Daten Einfluss auf die Schulen betreffende politische Entscheidungen oder Maßnahmen an Schulen haben, bleibt abzuwarten.
Polke hält es allerdings für sehr wahrscheinlich, dass die Auswertung der Daten aus gutem Grund kurz vor dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Länderchefs veröffentlicht wurde, bei dem am Mittwoch genau über solche Dinge entschieden werden soll.