Kinder haben während des Corona-Lockdowns überdurchschnittlich viel Zeit vor dem Computer verbracht. Erwachsene offenbar mit ihren Lebens- oder Liebespartnern. Die erste These ist mittlerweile durch eine Studie belegt, für die zweite stehen konkrete Erkenntnisse noch aus. Doch viele Frauenärzte stellen jetzt bereits fest, dass sie seit einigen Wochen deutlich mehr Schwangerschaften diagnostizieren als üblich in diesem Zeitraum.
Mehr Schwangerschaftstest verkauft
Valide Zahlen gibt es dazu noch nicht. Eine WDR-Umfrage in Frauenarztpraxen ergab aber, dass die Zahl sogar um ein Drittel gestiegen sein könnte. Auch einige Apotheken bestätigen das: Er habe im Mai und Juni doppelt so viele Schwangerschaftstests verkauft wie sonst in dieser Zeit, sagt der Kölner Apotheker Dirk Vongehr. Auch Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere seien seit Wochen deutlich mehr gefragt.
Der Zusammenhang ist für ihn "offensichtlich": Viele Menschen hätten während des Lockdowns mehr Zeit zuhause verbracht, "und je mehr man zuhause ist, desto mehr beschäftigt man sich auch mit seinem Partner", meint er. Die meisten Frauen, die derzeit einen Test bei ihm kauften, würden auf ein positives Ergebnis hoffen. Für das Jahresende erwartet Vongehr sogar einen "Babyboom" in der Kölner Südstadt.
Verbände haben noch keine Zahlen
Beim Berufsverband der Frauenärzte gibt es noch keinerlei Erkenntnisse dazu. Rezepte für die Pille seien in unveränderter Zahl ausgestellt worden, berichtet der NRW-Landesvorsitzende Bernd Bankamp aus seiner Praxis. Dass Paare in der Zeit des Lockdowns mehr Zeit füreinander hatten, sei möglich, meint er. Andererseits: "Wer vorher keinen Partner hatte, hat in dieser Zeit höchstwahrscheinlich auch keinen finden können."
Und: In den Kinderwunschpraxen NRWs seien zwei Monate lang keine künstlichen Befruchtungen vorgenommen worden. Zu unsicher waren sich Mediziner, welche Auswirkungen eine Coronainfektion auf eine Schwangerschaft haben könnte. Mittlerweile hätten diese Zentren aber ihre Tätigkeit wieder aufgenommen.
Forscher der Universität von Florenz wiederum befragten Ende März 1.500 junge italienische Paare. Ein Drittel derer, die vor der Krise vor hatten, ein Kind zu bekommen, nahmen während des Lockdowns wieder Abstand von der Idee - aus Angst vor einer unsicheren Zukunft. Nur wenige seien ihren Kinderwunsch während dieser Zeit gezielt angegangen.
Kein Zugang zu Verhütungsmitteln
Bereits Ende April hatten die Vereinten Nationen vemutet, dass die weltweiten Ausgangsbeschränkungen während der Corona-Pandemie bis zu sieben Millionen nicht geplante Schwangerschaften zur Folge haben könnten: Auch die Lieferketten von modernen Verhütungsmitteln seien in manche Regionen unterbrochen gewesen. Geschätzte 47 Millionen Frauen in ärmeren Ländern hätten dadurch möglicherweise keinen Zugang mehr gehabt.
Gleichzeitig gibt es Berichte aus mehreren Ländern, dass während der Lockdownphase deutlich weniger Frühchen geboren wurden als normalerweise. Laut einer vorläufigen Studie aus Dänemark lag die Zahl zwischen Mitte März bis Mitte April ganze 90 Prozent unter dem Vorjahreswert. Ähnliche Meldungen kommen aus den Niederlanden, Irland, Australien und den USA. Als Ursache vermuten Forscher, dass Schwangere während des Lockdowns weniger Stress und Krankheitserregern ausgesetzt waren und deshalb seltener vorzeitige Wehen bekamen.