Corona-Lockerungen: In der dritten Welle eher Träumerei
Stand: 16.03.2021, 21:13 Uhr
Die Hoffnungen auf weitere Lockerungen nach dem Corona-Lockdown sind groß. Sind sie auch realistisch? Experten wie Drosten, Lauterbach oder Brockmann vom RKI sind anderer Ansicht - mitten in der dritten Welle seien die bisherigen Lockerungen schon "irrational".
Von Frank Menke
Egal, wo man hinguckt: Inmitten von Impf- und Schnelltestchaos steigen die Corona-Neuinfektionen in Deutschland kontinuierlich wieder an. Auch in NRW, wie der Blick auf die Übersicht der Inzidenz-Entwicklung zeigt. Wir sind mitten in der dritten Welle. Welche Auswege kann es geben? Wie handeln, wenn in wenigen Tagen oder Wochen die Corona-Zahlen wieder exponentiell steigen? Noch fehlt eine klare Aussage von politischen Entscheidern.
Tag der Entscheidung am Montag
Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) machte am Dienstagabend in der Aktuellen Stunde keine konkreten Ansagen: "Wenn es über 100 (Inzidenzzahl pro 100.000 Einwohner, d. Red) geht, muss die Notbremse greifen und Maßnahmen ergriffen werden, dass die Zahlen wieder sinken." Am kommenden Montag würde die Ministerkonferenz darüber entscheiden, welche Öffnungen denkbar seien und welche nicht und ob Lockerungen zurückgenommen werden müssten.
Ostern: Tourismus in Deutschland unwahrscheinlich
Mit Blick auf die aktuellen Inzidenzzahlen in Deutschland (84) und Nordrhein-Westfalen (83) sagte Laschet bezüglich Urlaubsgelüsten am Dienstag zudem, dass die Aufhebung der Reisewarnung für Mallorca den dortigen niedrigen Inzidenzen geschuldet sei: "Aber ob für Deutschland der Tourismus am 22. März bei steigenden Inzidenzen geöffnet wird, halte ich eher für fraglich." Über Strategien würde sich eben erst wieder die Ministerpräsidenten-Konferenz am 22. März unterhalten. Es sieht also nicht gut aus für einen unbeschwerten Osterurlaub in Deutschland.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat jetzt immerhin mitgeteilt, dass es am Donnerstag eine Empfehlung von Experten zum umstrittenen Impfstoff von Astrazeneca geben soll. Der Blick richtet sich auch auf den auf Freitag verschobenen Impfgipfel der Bundesregierung und den 16 Bundesländern. Der Einfluss des Impfens auf die Entwicklung der nächsten Wochen wird aber als noch zu gering eingeschätzt.
Infektionszahlen wie vor Weihnachten
Der Virologe Christian Drosten warnte bereits im aktuellen NDR-Podcast: "Wir werden kurz nach Ostern eine Situation haben wie um Weihnachten herum." Die Situation werde sich dann im weiteren Verlauf "drastisch erschweren" wegen der Mutante. Besonders brenzlig werde es für die weitestgehend noch ungeimpften Jahrgänge ab 50 Jahre.
Intensivärzte: Zurück in den Lockdown
Derweil steigt das Risiko vor der eigenen Haustür. Deutschlands Intensivärzte fordern bereits eine schnelle Rückkehr in den Lockdown. So sieht derzeit die Entwicklung in den NRW-Krankenhäusern aus:
Virologen und Experten wie SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sehen Deutschland längst mitten drin in der dritten Welle. Lauterbach forderte das Schließen der Schulen bis Ostern:
RKI-Modellierer und Physiker bezeichnete die schon bereits erfolgten Lockerungen als "irrational":
Die Bundesregierung hat die Länder noch einmal dazu aufgefordert, auf die Corona-Notbremse ab einer Inzidenzzahl von 100 zu treten. Das bedeutet zum Beispiel, Einzelhandel und Friseure wieder komplett zu schließen, wenn es mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gibt.
Streit um Schulöffnungen
Streit provoziert derzeit in NRW die Öffnung der Schulen. Dortmund und Duisburg wollten sie am Dienstag wieder dichtmachen, das Land stoppte die Pläne der Kommunen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 71,2 wie in Dortmund kämen Schulschließungen nicht infrage. Auch Laschet kritisierte, dass der Stadt nichts anderes einfalle.
Am Montag, 22. März, kommt also bei den Bund-Länder-Gesprächen wieder alles auf den Tisch - weitere Öffnungen, begleitet von Impfungen und systematischen Tests oder flächendeckende Rücknahme von Lockerungen.