Bald können auch Kinder und Jugendliche gegen Corona geimpft werden, denn die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat den Weg für den Impfstoff von Biontech/Pfizer frei gemacht. Zuvor hatten Bund und Länder auf dem Impfgipfel entschieden: Ab dem 7. Juni dürfen sich auch Kinder von zwölf bis 15 Jahren in Deutschland impfen lassen - sofern die EMA-Empfehlung erfolgt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt allerdings die Impfungen nur bei Kindern und Jugendlichen mit Vorerkrankungen.
Es gibt unterschiedliche Signale aus Politik und Wissenschaft. Das macht es Eltern nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen. Ihre Eigenverantwortung ist gefragt, aber woran sollen sie sich orientieren? Die folgenden Aspekte könnten dafür hilfreich sein.
Gibt es genügend Daten?
Die Aussagen zur Datenlage sind für Laien unübersichtlich. So kommt eine neue Studie aus den USA und Kanada zu dem Ergebnis, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer auch Kinder zwischen zwölf und 15 Jahren vor einer Covid-19-Erkrankung schützen kann. Die Forscher sprechen sogar von 100 Prozent Wirksamkeit nach einer zweifachen Impfung.
Der deutsche Ärztepräsident Klaus Reinhardt hält die Datenlage zu Nutzen und Risiken nach wie vor für unzureichend. Man könne keine Empfehlung abgeben, sagte er der "Rheinischen Post".
Wie sieht es bei Risiken und Nutzen aus?
Bei Impfungen geht es immer auch um eine medizinische Risiken-Nutzen-Abwägung - und die fällt bei Kindern anders aus als bei Erwachsenen. Bei Kindern ist das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zwar geringer, aber kein Nullrisiko.
Zu Spätfolgen bei Kindern - oft Post-Covid genannt - gibt es bislang zu wenige Erkenntnisse. Sollten die Symptome mehr als drei Monate anhalten, sprechen Experten von Long-Covid. Dazu gibt es bisher wenig systematische Untersuchungen. Die Fallzahlen scheinen aber, gemessen an der Zahl der Infektionen, gering zu sein. Zudem können Kinder vom sogenannten Pim-Syndrom betroffen sein, einer gravierenden Spätfolge.
Den Risiken einer Impfung stehen folgende nützliche Aspekte gegenüber: Vermeidung von schweren Verläufen, Vermeidung von Post-Covid oder Long-Covid, Verringerung der Ansteckungsrate geimpfter Kinder und Jugendlicher.
Wie ansteckend sind Kinder?
Über die Frage, wie ansteckend Kinder und Jugendliche sind, wird viel diskutiert. Für den Virologen Christian Drosten ist klar: Die Viruslast bei Erwachsenen und Kindern ab dem Schulalter ist etwa gleich hoch.
Er hat dazu im Mai 2021 eine Studie im Fachblatt "Science" veröffentlicht: "Mein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen hat sich bestätigt, nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien."
Ist genügend Impfstoff verfügbar?
Für das Impfen von Kindern und Jugendlichen gibt es keinen zusätzlichen Impfstoff. Trotzdem geht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) davon aus, dass das Ziel, allen Impfwilligen bis Ende des Sommers eine Impfung anzubieten, erreicht werden kann.
Intensivmediziner verlangen, den immer noch knappen Impfstoff vor allem bei Erwachsenen einzusetzen, weil die ein höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe hätten.
"Kinder erkranken häufig asymptomatisch oder im Verlauf harmlos und haben deshalb derzeit bei knappen Impfstoffkapazitäten keine dringliche Indikation für eine Impfung", sagte der Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Florian Hoffmann, den Funke-Zeitungen.
Wo können Kinder geimpft werden?
NRW-Gesundheitsminister Laumann sagte am Freitag dem WDR, dass die Impfungen von Haus- und Kinderärzten durchgeführt werden sollen. Die Impfzentren seien "nicht unbedingt" die Orte dafür.
Allerdings fordert der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Kinder- und Jugendliche nur im Rahmen einer Stiko-Empfehlung zu impfen. Impfungen sollten nur bei Übernahme der Haftung durch den Staat - wie bei allen anderen zugelassenen und öffentlich empfohlenen Impfungen - erfolgen.
In Schulgebäuden werden Kinder und Jugendliche in NRW wohl nicht geimpft. Laumann sagte dem WDR: "Damit würde man doch sehr stark als Staat symbolisieren: Wir wollen, dass Ihr Euch impft."
Muss ich mein Kind impfen?
Das Prinzip der Freiwilligkeit soll auch bei Kindern und Jugendlichen nicht angetastet werden. "Das ist eine individuelle Entscheidung", sagte Kanzleramtsminister Helge Braun am Freitag im ARD-"Morgenmagazin".
"Und deshalb fände ich es gut, wenn Eltern und Ärzte da frei sind und dass wir sie weder bedrängen dafür oder dagegen." Kinder müssten sich für einen sicheren Schulbetrieb nicht impfen lassen, sagte Braun.