Die Maßnahmen, mit denen Bund und Länder die Corona-Pandemie im November bremsen wollen, sind noch nicht in Kraft. Aber ihre Wirkung wird schon überall diskutiert.
Von Politikern, von Experten, von Betroffenen. Wer vertritt welche Position?
These 1: Die Maßnahmen sind genau richtig
Logischerweise sind es die Politiker der Regierungen in Bund und Ländern, die das Maßnahmenpaket für angemessen halten. Die aktuellen Infektionszahlen hätten diese Reaktion nötig gemacht. Laut Robert-Koch-Institut lässt sich derzeit bei 75 Prozent der Infektionen nicht mehr nachvollziehen, wo die Ansteckung erfolgt ist.
Ein prominentes Beispiel ist Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Spahn befindet sich wegen eines positiven Coronatests seit vergangener Woche in häuslicher Quarantäne. Wo er sich angesteckt habe, wisse er immer noch nicht, sagte er am Donnerstag im WDR.
Eine Senkung der Zahlen würde nicht nur den überlasteten Gesundheitsämtern helfen, sondern auch den Krankenhäusern helfen. Derzeit sind 1569 Corona-Patienten auf Intensivstationen. Von den über 29.000 Intensivbetten in Deutschland sind noch 7.546 frei.
"Wir sind nicht in einem Notstand", sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Mittwoch. Man müsse aber präventive Maßnahmen treffen, um diesen zu verhindern.
Auch der Virologe Martin Stürmer hält die Maßnahmen für sinnvoll. Die Fallzahlen hätten gezeigt: Die Menschen seien "zu leichtsinnig" geworden. Christian Drosten, Chef-Virologe bei der Berliner "Charité", hatte ebenfalls für einen zeitlich begrenzten Lockdown plädiert.
These 2: Die Maßnahmen sind zu streng
Es sind vor allem wirtschaftlich konkret Betroffene, die die Maßnahmen für zu streng halten. So verweist man im Hotel- und Gastronomiegewerbe auf vorhandene Hygienekonzepte. Man sei kein Treiber der Pandemie, sagte Guido Zöllick vom Deutschen Hotel und Gaststättenverband (DEHOGA).
Eine Lageeinschätzung des RKI vom 20. Oktober bestätigt das: Danach spielten Übernachtungen und Speisestätten eine geringere Rolle bei Infektionen als Privathaushalte, Arbeitsstätten oder Freizeitaktivitäten.
Auch Bundesligavereine wie Borussia Dortmund sehen die Entscheidung kritisch. Der Profisport sei "nachweislich" kein Treiber der Pandemie, daher sei es schwierig zu akzeptieren, dass diese Fakten nicht zählten, hieß es in einer Mitteilung.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hält die Maßnahmen ebenfalls in Teilen für überzogen. Viele Schließungen seien für den Gesundheitsschutz "unnötig". AfD-Co-Fraktionschef Alexander Gauland sprach von einer "Corona-Diktatur".
Kritik an den Maßnahmen kommt auch von Wissenschaftlern. So sagte der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, die Schließung von Gastroomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sei nicht zielführend. Auch Hendrik Streeck, Virologe aus Bonn, schloss sich dieser Einschätzung an.
These 3: Die Maßnahmen sind zu lasch
Auch diese Position ist vorhanden. So hält der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach es für "Luxus", den Schulbetrieb wie bisher laufen zu lassen. Man müsse die Teilung der Klassen vorbereiten, um Infektionen vorzubeugen.
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) plädiert für strengere Regeln in den Schulen. Ab einem Inzidenzwert von 50 sollte der Unterricht in Kleingruppen abgehaten werden. Denkbar sei ein Wechsel zwischen Präsenz- und Online-Unterricht.
Sich im November zusammenreißen, damit dann im Dezember wieder halbwegs Normalität herrscht: Diese Gleichung könnte daneben gehen. So sieht der Virologe Stürmer keine Chance auf ein "normales Weihnachten". Die Maßnahmen könnten allenfalls dazu taugen, das Fest "etwas normaler" feiern zu können.