Weniger Corona-Tests bei den Bewohnern, weniger Maskenpflicht: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josel Kaumann (CDU) möchte, "dass das Leben der Menschen in den Altenheimen wieder schöner wird", sagte er am Donnerstag. Das sei möglich, weil mittlerweile in vielen Heimen Bewohner und Personal weitgehend durchgeimpft seien.
Er gehe von einer "Herdenimmunität" in den Pflegeheimen aus, sagte Laumann, und will in den nächsten Tagen eine neue Verordnung vorlegen: Die bisher obligatorischen Corona-Tests für Bewohner sollen entfallen – für Personal und Besucher allerdings nicht. Auch dürften Bewohner bald wieder fünf Besucher plus Kinder unter 14 Jahren empfangen. Zurzeit sind es maximal zwei pro Tag.
Pflegepersonal mit Besuchertestungen überlastet
Für Ulrike Pappert wäre zumindest das ein Lichtblick: Mehrmals pro Woche besucht sie normalerweise ihre Mutter in einem kleinen Altenheim in Dortmund. Seit Beginn der Pandemie muss sie sich dafür - wie in allen Heimen - vorher einen Termin besorgen. "Mal klappt das, mal nicht", sagt sie. Zutritt zum Heim bekommt sie dann nur nach einem Schnelltest am Eingang. Aber manchmal sei ein Besuch auch nicht möglich, weil das Personal im Heim einfach nicht dazu komme, die Besucher zu testen.
Heimleiter Jörg Wunsch dagegen sieht die von Laumann angekündigten Lockerungen "sehr, sehr kritisch". Ein Teil seiner Mitarbeiter habe sich bislang nicht impfen lassen – "und solange nicht das gesamte Personal geimpft ist, besteht jederzeit die Gefahr, dass das Virus ins Haus kommt". Alle zwei Tage werden deshalb sämtliche Bewohner getestet. Nach dem Willen des Gesundheitsministers soll das bald entfallen.
"An die Vernunft der Angehörigen appellieren"
Auch die Lockerung der Besucherzahlen auf fünf pro Bewohner sieht Heimleiter Wunsch mit einem gewissen Entsetzen: Selbst in seinem kleinsten Haus in Dortmund, mit gerade mal 16 Bewohnern, wären das theoretisch 90 Besucher pro Tag. Eine "furchtbare" Vorstellung angesichts steigender Infektionszahlen, sagt Wunsch, "aber wenn das dann offizieller Erlass ist, kann ich es nicht verhindern." Zum Glück habe er zu den meisten Angehörigen einen guten Draht - er könne nur "an deren Vernunft appellieren".
Es sei ein schwieriger, schmaler Grat, sagt Wunsch: "Natürlich wünschen wir uns auch so viel Normalität zurück, wie möglich – aber wir haben auch die Verantwortung für die Gesundheit unserer Bewohner." Gemeinsames Singen zum Beispiel, was alle Hausbewohner geliebt hätten, sei seit Monaten tabu. "Bei nur drei Prozent Impfquote in der Gesamtbevölkerung sehe ich auch nicht, dass sich das so schnell ändern könnte", sagt er.
Warum nicht an Inzidenz geknüpft?
Doch genau das hat der Gesundheitsminister versprochen: Singen, Turnen, Basteln – das alles soll bald wieder erlaubt sein. Im Marienheim in Siegen seien die Erwartungen deshalb hoch, sagt Heimleiter Jörg Boenig: "Wir spekulieren sehr darauf, bald zumindest innerhalb der Wohngruppen wieder Gesangsrunden und Feste anbieten zu können, das vermissen unsere Bewohner sehr."
Fast alle der 119 Bewohner seien durchgeimpft, beim Personal allerdings erst die Hälfte. Aber auch Boenig ist sich unsicher, was er von den Ankündigungen Laumanns halten soll: "Vielleicht wäre es besser, auch solche Lockerungen an Inzidenzwerte zu binden, wie in anderen Bereichen auch?"
Heime waren zu Hotspots geworden
Mit massiven Corona-Ausbrüchen und vielen Todesopfern waren die Alten- und Pflegeheime im vergangenen Jahr zeitweise zu Hotspots der Pandemie geworden. Verpflichtende Tests für Besucher gibt es erst seit dem 15. Januar 2021, ein Heim in Duisburg hatte sich das Recht, Besucher zu testen zuvor erst vor Gericht erkämpfen müssen. Allein zwischen Oktober und Weihnachten 2020 starben 1.674 Menschen in Heimen in NRW.