Wegen des Meldeverzugs der Gesundheitsämter sind die Corona-Infektionszahlen nach dem Wochenende immer niedriger als im Rest der Woche: So wurden am Montag in NRW 2.363 neue Fälle gemeldet. Die Tendenz ist allerdings bedenklich: Denn die Zahlen steigen seit gut zwei Wochen wieder - auch montags: Von 1.611 über 1.708 auf nun 2.363 Neuinfizierte. Der 7-Tages-Inzidenzwert in NRW liegt derzeit bei 142. Am vergangenen Freitag waren es noch 138. Angestrebt ist ein Wert von 50.
Seit Anfang November sind die Corona-Maßnahmen in Kraft, die von manchen als "Lockdown light" bezeichnet werden: Gastronomie, Kinos, Fitnessclubs sind geschlossen, Kontakte eingeschränkt, Vereinssport ist verboten. Angesichts der zunächst auf hohem Niveau stagnierenden und nun sogar wieder steigenden Infektionszahlen stellt sich die Frage: Ist der "Lockdown light" zu wenig effektiv? Braucht es strengere Maßnahmen?
Ausgangsbeschränkungen in Bayern geplant
In Bayern, wo es am Montag einen Inzidenzwert von 176 gab, sieht man das offenbar so. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will den "Katastrophenfall" ausrufen und Ausgangsbeschränkungen verhängen. Wie im Frühjahr soll man das Haus nur noch "aus triftigen Gründen" verlassen dürfen. Dazu zählt der Gang zur Arbeit, zur Schule, zum Arzt und um Besorgungen zu machen. In besonders stark betroffenen Gegenden soll es Ausgangssperren von 21 bis 5 Uhr morgens geben. Schulklassen sollen aufgeteilt werden.
Bund-Länder-Gespräche bald möglich
Auch die Bundeskanzlerin deutete am Montag an, dass kurzfristig eine Verschärfung der Corona-Regeln nötig werden könnte. Mit den derzeitigen Maßnahmen komme das Land "nicht durch den Winter", erklärte Angela Merkel nach Angaben von Teilnehmern bei einer Fraktionssitzung. Noch vor Weihnachten sollen demnach Bund und Länder bei einem Krisengipfel neue, schärfere Maßnahmen diskutieren.
Lockerungen an den Feiertagen werden diskutiert
Auch die geplanten Lockerungen für die Feiertage stehen in der Kritik. Dies stellt der Deutsche Städte- und Gemeindebund angesichts der anhaltend hohen Infektionszahlen in Frage. An den Festtagen werde es Reisen geben, die wiederum für Kontakte sorgten und damit zu neuen Infektionsrisiken führten, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Gerd Landsberg, in der "Aktuellen Stunde". Er forderte, Bund und Länder müssten die Lage noch einmal neu bewerten, wenn die Zahlen nicht noch drastisch zurückgingen.
Wo sind die Infektionsherde? Man weiß es nicht
Aber wo finden derzeit die meisten Neuinfektionen statt: In Schulen oder im privaten Bereich? In Heimen oder in Kirchen? Bei der Arbeit oder doch beim Einkaufen? Die Antwort ist so kurz wie ernüchternd: "Für einen großen Anteil der Fälle kann das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden", teilte das Robert-Koch-Institut am Sonntag mit. Es gebe zwar Häufungen insbesondere in Haushalten, Alten- und Pflegeheimen, aber auch im beruflichen Umfeld, in Gemeinschaftseinrichtungen und bei Gottesdiensten, aber insgesamt sei das Geschehen "zumeist diffus".
Zu viele Menschen zum Shoppen in den Innenstädten?
Wenn man aber nicht weiß, wo ein Großteil der Infektionen passiert, kann man auch nicht zielgerichtet gegensteuern. Das war wohl einer der Gründe, wieso der Lockdown im Frühjahr so effektiv war: Damals waren die Schulen, Kitas sowie ein Großteil der Geschäfte geschlossen, was automatisch dazu führte, dass viele Menschen zu Hause blieben.
Jetzt in der Vorweihnachtszeit strömen die Leute in die Innenstädte: So wurden am vergangenen Samstag knapp 55.000 Personen in der Hohe Straße in Köln gezählt - das ist laut der Datenagentur "Hystreet" nur ein Viertel weniger als im Durchschnitt der Vor-Corona-Zeiten.
Welche neuen Beschränkungen hätten den größten Effekt?
Wie wirksam sind neue Beschränkungen wie Ausgangssperren oder Wechselunterricht aus wissenschaftlicher Sicht? "Genau beziffern lassen sich solche Effekte leider nicht", sagt Ruth Schulz aus der WDR-Wissenschaftsredaktion. Denn es gebe zu viele verschiedene Faktoren, die Einfluss auf die Infektionslage nehmen könnten. Dass aber eine weitere Reduzierung der Sozialkontakte die Situation entspannen könnte, gelte mittlerweile als gesichert.
Ferien verlängern, Läden schließen: Diskussion über neue Maßnahmen
Braucht man also doch den "Hammer" statt des "Skalpells", um die Zahlen spürbar zu senken? Diese Diskussion wird die kommenden Tage beherrschen. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) plädierte am Montag für ein erneutes Bund-Länder-Spitzentreffen vor den Feiertagen. Er forderte neue Maßnahmen in den Schulen, eine Diskussion über den Einzelhandel sowie eine Entzerrung im Öffentlichen Nahverkehr.
NRW-Gesundheitsminister erwägt "noch restriktiveres Vorgehen"
Auch in NRW sind verschärfte Maßnahmen kein Tabu: "Sollte sich die Gesamtlage nicht zeitnah verbessern, erscheint auch bundesweit ein noch restriktiveres Vorgehen notwendig, um die Zahl der Neuinfektionen überall deutlicher zu reduzieren", sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Montag. Nordrhein-Westfalen setze weiter auf den engen Schulterschluss von Bund und Ländern.