Die Intensivstation der Uniklinik Essen. Seit Mitte dieser Woche ist jedes Bett belegt. Deshalb hat die Klinik eine zweite Intensivstation aufgemacht. 90 Patienten mit Covid-19 sind stationär untergebracht, 27 Menschen werden intensivmedizinisch betreut.
Aber nicht nur bei den Betten, sondern vor allem beim Personal gibt es Engpässe. Frank Herbstreit ist oberärztlicher Leiter: "Betten haben wir ausreichend, auch bei Beatmungsgeräten haben wir gut aufgestockt. Aber Pflegepersonal und auch der ärztliche Dienst ist etwas, was knapp ist und was man sorgfältig organisieren und verteilen muss."
Sorge, Krebspatienten nicht mehr gut behandeln zu können
In der Augenklinik ist Direktor Nikolaos Bechrakis besorgt. Er muss Kapazitäten abgeben. Dabei operieren er und sein Team jedes Jahr 400 Menschen; viele haben schwere Tumorerkrankungen, bei denen jeder Tag zählt, um eine drohende Erblindung zu verhindern. "Bei der ersten Welle mussten wir schon 25-30 Prozent unserer Kapazitäten einbüßen. Ich habe die Befürchtung, wenn die zweite Welle kommt, dass es heftiger wird", sagt Bechrakis.
Lebensnotwendige Operationen mussten bislang nicht abgesagt werden. Aber in einer internen E-Mail hat das Uniklinikum das Pflegepersonal bereits angeschrieben, sich freiwillig zu melden, um Covid-Patienten auf der Intensivstation zu versorgen. Sollte sich keiner melden, würde im Ernstfall Personal abgezogen. Aber so weit ist es bislang noch nicht.
"Personeller Drahtseilakt"
An jedem Tag ist aber die Gefahr groß, dass Personal im Uniklinikum ausfällt – wegen Corona. Im Schnitt wird einmal in der Woche ein Patient eingeliefert, der symptomfrei ist. Der routinemäßige Corona-Test aber ist später positiv. "Und dann beginnt die Nachverfolgung. Und das ist unglücklich, weil dann Kollegen und Pflegepersonal in Quarantäne müssen und die fehlen uns dann plötzlich zur Arbeit", sagt Marie Therese Silvanus, Oberärztin der Anästhesie.
Das Uniklinikum in Essen spricht von einem "personellen Drahtseilakt", um die Corona-Krise zu managen. Das Krankenhaus sieht sich dennoch gut aufgestellt und hofft, dass die Bevölkerung im neuen "Lockdown" einsichtig ist. "Dass draußen die Einschnitte diskutiert werden, macht mir schon Sorgen, weil wir hier eine andere und besorgniserregende Wahrnehmung der Pandemie haben", sagt der oberärztliche Leiter Frank Herbstreit. Auf die nächsten Wochen kommt es wohl an.
Kölner Professor fordert Ende der Diskussionen
Dass die Zeit drängt, ist auch die Meinung von Michael Hallek von der Uniklinik Köln: "Wir haben einen schnelleren Anstieg mit mehr Fällen pro Tag. Und dann ist es für uns kaum zu fassen, weil wir eine ganz andere Erlebniswelt haben als die Menschen draußen, dass man darüber redet und diskutieren muss, ob man diese vermeidbare Erkrankung auch vermeidet durch die Möglichkeiten, die wir eben haben im öffentlichen Leben", sagte Hallek im Interview mit der "Aktuellen Stunde". Das sei nur durch Beschränkungen des öffentlichen Lebens möglich. "Diese Entfremdung der Kommunikation zwischen denen, die damit täglich zu tun haben und der Bevölkerung, ist schon etwas, das mir sehr große Sorgen bereitet", so Hallek.
Zunehmend würden sich auch Pflegekräfte im privaten Bereich anstecken - dadurch fehlten sie dann auf den Stationen. Noch sei die groß angelegte Umverteilung von Covid-19-Patienten auf andere Krankenhäuser allerdings nicht notwendig, erklärte Hallek, denn die meisten Kliniken hätten noch genug Kapazitäten. Er hoffe, dass die Situation so bleibt. Denn Transporte von schwerst kranken Patienten seien aufwendig und könnten sogar ein gewisses Risiko bergen.