Das Robert Koch-Institut meldete am Donnerstag mehr als 25.000 Neuinfektionen und 1.244 Todesfälle binnen 24 Stunden. "Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Lage noch verschlimmert", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. "Diese Maßnahmen, die wir jetzt machen - für mich ist das kein vollständiger Lockdown, es gibt immer noch zu viele Ausnahmen."
Das Coronavirus verbreite sich derzeit in allen Altersgruppen. Es gibt außerdem erste Nachweise von Mutationen, die schon in Irland das Virus in völlig neuem Ausmaß im Volk verteilt haben. Da redet inzwischen fast kein deutscher Politiker mehr über Lockerungen. In Thüringen wurde die für den 25. April geplante Landtagswahl verschoben.
Augenscheinlich haben die seit Mitte Dezember geltenden Alltagsbeschränkungen nicht zu dem Ziel geführt, die Pandemie wirksam zu stoppen. Können nur noch schärfere Maßnahmen helfen?
RKI-Epidemiologe Brockmann sagt, es sei eine "totale Konsensaussage" aller Modellberechnungen, dass die Lockdown-Maßnahmen verschärft werden müssten, um die hohe Zahl neuer Infektionen einzudämmen.
Noch einen Schritt weiter geht die von Ärzten, Wissenschaftlern und Prominenten unterstützte Initiative "#ZeroCovid". Sie fordert einen "solidarischen europäischen Shutdown" und "einen radikalen Strategiewechsel": "Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen, Schulen müssen geschlossen und die Arbeitspflicht ausgesetzt werden."
Bund-Länder-Gipfel nächste Woche
Auch die Bundesregierung will offenbar die Maßnahmen weiter verschärfen. Das Virus lasse sich nur mit deutlich zusätzlicher Anstrengung aufhalten, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel laut Teilnehmern bei der CDU-Präsidiumssitzung. Die Mutation bereite "große Sorge". Man sei in einem Wettlauf mit der Zeit, sagte die Kanzlerin. Das Bund-Länder-Treffen zum Lockdown nächste Woche wurde auf Dienstag vorverlegt. Nun wird schon am 19. Januar wird beraten, ob die ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus weiter verschärft werden. Ursprünglich war der Termin für den 25. Januar vorgesehen.
"Mega-Lockdown: "eine absolut verzweifelte Maßnahme"
Doch es gibt auch Zweifel daran, ob weitere Beschränkungen der Weisheit letzter Schluss sind. Dr. Thomas Voshaar, Leiter der Lungenklinik Bethanien in Moers und Berater des Bundesgesundheitsministeriums, sagte dem WDR: "Ein Mega-Lockdown wäre eine absolut verzweifelte Maßnahme, sozial und wirtschaftlich kaum erträglich. Da weiß man ja gar nicht, wo das enden soll."
Bessere Kommunikation mit der Bevölkerung
Voshaar findet es sinnvoller, endlich mehr in Kommunikationsstrategien zu investieren: "Das ist ja eigentlich ziemlich klar, dass Infektionen vor allem zu Hause stattfinden, bei Treffen, die so nicht sein sollten. Man muss die Leute besser erreichen. Viele sind müde und schlagen dann natürlich auch mal über die Stränge. Man muss die Leute daran erinnern: Ihr habt es in der Hand, auch bei den privaten Kontakten."
RKI-Chef Wieler forderte nochmal, die Maßnahmen zu beherzigen. Daran hätten sich nicht alle gehalten. "Das ist, wie wenn man im Regen steht, einen Regenschirm dabei hat, aber ihn nicht aufspannt. Da kann man auch nicht sagen, der Schirm funktioniert nicht - man muss ihn auch benutzen."