Die zuerst in Indien entdeckte Delta-Variante des Coronavirus hat sich in Deutschland stark ausgebreitet: In einer zufällig ausgewählten Stichprobe lag der Anteil von Delta bei 84 Prozent, der von der Alpha-Variante bei 12 Prozent, heißt es im RKI-Lagebericht vom 22. Juli. Dass die Delta-Variante zur führenden Variante in Deutschland wird, wurde vom RKI so vorausgesagt.
Die erste Delta-Welle in Europa gab es in Großbritannien. Dort gehen die Infektionszahlen aktuell wieder deutlich zurück - die Variante hat da zu einem starken Anstieg der Zahl der Intensivpatienten geführt.
Wie gefährlich ist die Mutante? Sind die Impfungen noch wirksam? Fragen und Antworten.
Warum ist die Delta-Variante so gefährlich?
Noch ist die wissenschaftliche Datenlage relativ dünn. Aber nach Schätzungen der britischen Gesundheitsbehörden könnte die Delta-Variante bis zu 60 Prozent ansteckender sein als die vorher dominierende Alpha-Variante des Coronavirus. Möglicherweise führt sie auch häufiger zu schweren Krankheitsverläufen - darauf weist zumindest eine aktuelle schottische Studie hin. Zu dem Schluss kommt auch die US-Gesundheitsbehörde CDC: Delta sei gefährlicher als das ursprüngliche Coronavirus.
Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, warnte in der Aktuellen Stunde: "Wir erleben zurzeit in jeder Woche eine Verdoppelung des Anteils der Delta-Variante. Wenn die wirklich stark durchschlägt und wir wieder einen Anstieg der Aufnahmen in Krankenhäusern und sogar auf Intensivstationen erleben, dann müsste man die Lockerungen massiv zurückdrehen."
Man habe es aber selbst in der Hand, wenn man sich vernünftig verhalte, so Montgomery. Wenn man Masken trage und auf Abstandsregeln achte, könne man das vermeiden. Er appelierte an die Bürger, überall dort, wo sich der Abstand von 1,50 Metern nicht einhalten ließe, aus "wohlverstandenem eigenen Interesse" eine Maske zu tragen.
Sind die Impfstoffe noch wirksam?
Was die Delta-Variante besonders tückisch macht, ist, dass sie möglicherweise auch den Impfschutz besser aushebeln kann als die bisher vorherrschenden Mutanten. Das gilt insbesondere für Menschen, die bisher nur eine Impfdosis erhalten haben. Auch ist Astrazeneca laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) weniger gut wirksam gegen die Delta-Variante als zum Beispiel das Vakzin von Biontech/Pfizer.
Nach britischen Studienergebnissen ist man zwei Wochen nach der Zweitimpfung mit Biontech/Pfizer zu 88 Prozent vor einer Covid-Erkrankung durch Delta geschützt - nach einer Astrazeneca-Impfung zu 60 Prozent.
Andere Zahlen hatte die britische Regierungsbehörde Public Health England ermittelt. Sie untersuchte, wie viele Corona-Erkrankte im Krankenhaus behandelt werden mussten. Nach einer Biontech/Pfizer-Impfung war der Schutz davor zu 96 Prozent gegeben - nach einer Astrazeneca-Impfung zu 92 Prozent.
In Großbritannien wurde Astrazeneca häufiger eingesetzt als in Deutschland. Das könnte einer der Gründe sein, warum sich die Delta-Variante schnell in Großbritannien ausbreiten konnte. Außerdem hatte die britische Regierung darauf gesetzt, möglichst vielen Bürgern schnell eine Erstimpfung zu ermöglichen ohne Impfdosen für die Zweitimpfung zurückzuhalten. Dies könnte sich nun rächen, sagte Timo Ulrichs von der Akkon Universität in der "Aktuellen Stunde".
Ist eine Kreuzimpfung sinnvoll - erst Astrazeneca, dann Biontech?
Der Immunologe Carsten Watzl ist zuversichtlich: Die bestehenden Studien zu Kreuzimpfungen allgemein zeigten, dass Kreuzgeimpfte mindestens genauso hohe Immun-Antworten haben wie doppelt Biontech-Geimpfte. "Daraus kann ich ableiten, dass Kreuzgeimpfte vermutlich gut gegen die Deltavariante geschützt sind", so Watzl.
Es gebe aber noch keine genauen Daten dazu, wie immun Kreuzgeimpfte gegen die Delta-Variante sind. Es könnte auch noch lange dauern, diese Daten zu ermitteln, weil es Kreuzimpfungen nicht in allen Ländern gibt. Die Studien legten allerdings nahe, dass die Kreuzimpfungen in puncto Immun-Antwort das Beste seien, was momentan verfügbar sei.
Wie schnell hat sich die Mutante in Großbritannien verbreitet?
Erstmals nachgewiesen wurde die Delta-Variante im Oktober 2020 in Indien. Seit Anfang April wurde sie vermehrt auch in Großbritannien registriert. In der Woche vor Pfingstsonntag (23.05.2021) war sie dort bereits für 61 Prozent der Neuinfektionen verantwortlich, Mitte Juni lag ihr Anteil bei über 90 Prozent.
Die britische Opposition gibt der Regierung eine Mitschuld an der Ausbreitung der Delta-Variante. Sie habe wochenlang gezögert, Indien auf eine "rote Liste" zu setzen, weil Premierminister Johnson die Verhandlungen über ein geplantes Freihandelsabkommen nicht gefährden wollte, so der Vorwurf. In dieser Zeit seien etwa 20.000 Menschen aus Indien nach Großbritannien eingereist.