Shoppen, mit Freunden lecker Essen gehen, ab in den Urlaub oder auch nur in den Schnee? Gestrichen. Stattdessen Distanzunterricht mit allen Begleiterscheinungen und lange Tage allein vor dem Laptop.
Der Lockdown ist kein Vergnügen. Und jetzt droht er verlängert und verschärft zu werden. Denn die Maßnahmen, mit denen die Infektionszahlen nach unten gedrückt werden sollten, scheinen nicht zu greifen. Nicht weil es sie nicht gibt, sondern weil manche sich einfach nicht daran halten.
RKI-Chef Lothar Wieler hat dafür ein Bild gefunden: "Das ist, wie wenn man im Regen steht, einen Regenschirm dabei hat, aber ihn nicht aufspannt." Da könne man schließlich auch nicht sagen, der Schirm funktioniere nicht, "man muss ihn auch benutzen".
Frustration, Ängste, Depression
Dabei schlägt der Lockdown jetzt schon vielen aufs Gemüt. Natürlich gibt es Menschen, die sich freuen, dass sie zuhause arbeiten können, statt morgens und abends im Stau zu stehen. "Wir sehen aber auch viel Frustration, Ängste, Depression und Apathie", sagt Lena Jelinek, Professorin an der Hamburger Klinik für Psychologie und Psychiatrie. Wer sich auf nichts mehr freuen kann, wird auf Dauer traurig.
Falscher Optimismus macht sich breit
Da ist die Frage: Warum tun die Menschen nicht alles dafür, dass die Pandemie bald vorbei ist? Stattdessen machen sie zu Tausenden Ausflüge zu verschneiten Hängen, treffen sich in großer Runde zum schicken Essen hinter verschlossenen Restauranttüren.
Jelinek hat dafür zwei Erklärungen: erstens den "unrealistischen Optimismus", so der Fachbegriff. "Viele denken einfach, sie wären eine Ausnahme und könnten nicht krank werden", sagt die Psychologin. "Das ist wie bei einem Raucher, der zwar weiß, dass so und so viele Raucher in seinem Alter Krebs bekommen, aber trotzdem glaubt, dass es ihn nicht trifft."
Zweitens: Es fehlt zu oft an positiven Vorbildern. "Wenn man sich nur in Kreisen bewegt, in denen niemand eine Maske trägt oder die Maßnahmen akzeptiert, dann hält man sich nicht daran." Und wenn ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes, der eine Geldbuße verhängen sollte, das aber nicht tut und nur freundlich ermahnt, "dann ist das natürlich auch kontraproduktiv".
Dabei weisen die Ordnungsämter gerne darauf hin, dass sie Bußgelder verhängen - weil Mülheimer Berufsschüler grüppchenweise vor der Schule abhängen oder ein Kölner Hotel Touristen beherbergt. Im ersten Lockdown war das anders: Wie eine WDR-Recherche zeigte, hat Bielefeld gerade mal 67 "Knöllchen" verschickt, in Duisburg waren es in der gleichen Zeit fast 2.500.
Mehr Strafen? Funktioniert nicht.
Aber ist es überhaupt sinnvoll, die Menschen am Geldbeutel zu packen und solche Verstöße konsequent zu ahnden? Nein, sagt Jelinek. Statt zu strafen wäre es besser, richtiges Verhalten positiv zu verstärken - eine Lehre aus der Verhaltenstherapie.
Das Gefühl dafür, was richtig ist, bekommt man, wenn man Empathie entwickelt: "Man muss sich bewusst machen, welche Folgen unser Verhalten für unser Zusammenleben hat - nicht für mich, sondern für die anderen." Kurz und positiv ausgedrückt: Wer sich an die Regeln hält, kann Leben retten.
Also: die richtigen Vorbilder suchen, Empathie entwickeln - und vielleicht auch andere, positive Worte für die unschönen Seiten der Pandemie finden. "Statt 'Lockdown' könnte man ja auch einfach 'Winterschlaf' sagen", schlägt Jelinek vor. "Das klingt besser und betont den Erholungscharakter" - und führt vielleicht dazu, dass die Maßnahmen eher akzeptiert werden.