Mehr als 10.000 Menschen in NRW sind mit SARS CoV-2 infiziert, immer mehr Städte rutschen über den kritischen Grenzwert und verschärfen die Maßnahmen zur Eindämmung: Corona hat uns wieder voll im Griff. Wenn es so weiter geht, könnten die Intensivbetten knapp werden, heißt es. Aber noch gibt es wenige Schwererkankte und Tote - das war zu Beginn der Pandemie noch anders. Woran liegt das?
Viele Todesfälle bei sehr alten Menschen
Vorweg ein paar Zahlen: Bis heute sind in NRW mehr als 1.900 Menschen gestorben, die sich mit dem Coronavirus angesteckt hatten, bundesweit sind es 9.620. Die Statistik zeigt, dass das Risiko mit dem Lebensalter steigt - viele Verstorbene waren über 50, die weitaus meisten aber älter als 80.
In NRW traf es zu Beginn der Pandemie vor allem Senioren- und Pflegeheime, in denen sich das Virus schnell ausbreiten konnte. 20 Bewohner starben in einem Kölner Seniorenheim, neun in Düren, in Wuppertal sogar 24. Das Gesundheitsministerium verhängte ein Besuchsverbot für Angehörige, das erst im Mai wieder aufgehoben wurde, und erließ strenge Vorschriften für den Umgang.
Weniger Corona-Fälle im Sommer - aber warum?
Danach sanken die Zahlen wieder bundesweit. Nicht, weil das Virus mutiert und damit schwächer geworden ist, wie italienische Ärzte vermutet haben. "Das kann man klar sagen: Das Virus is nicht schwächer geworden, das sehen wir in den europäischen Ländern", sagt Jonathan Focke, Wissenschaftsredakteur im Quarks-Team.
Auch die wärmeren Temperaturen spielen wohl keine Rolle - in den USA ist die Pandemie erst im Sommer richtig ausgebrochen. Entscheidend für den Rückgang ist nach Ansicht von Experten wohl das Zusammenspiel von Kontaktbeschränkungen und AHA-Regeln - also Abstandhalten, Hygieneregel und Alltagsmaske. Die sorgen Studien zufolge dafür, dass die Zahl der Viren im Rachenraum niedrig gehalten wird - eine hohe Viruslast geht offensichtlich mit einem schweren Verlauf einher.
Diesmal trifft es die Jüngeren
Seit dem Herbst steigt die Zahl der Infektionen wieder. Aber anders als im Frühjahr ist das Durchschnittsalter der Infizierten deutlich niedriger: Es trifft vor allem die Jüngeren. Die zeigen kaum oder gar keine Symptome, ihre Infektion wird oft erst durch einen Test nachgewiesen. Wenige werden so krank, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden müssen.
Hochzeiten, Partys und ein Bier an der Ecke
Haupttreiber für den Anstieg sind laut Robert Koch-Institut (RKI) Hochzeitsfeiern, Gottesdienste und Auslandsreisen. "Das sind die Events, wo sich die Leute auf engem Raum treffen, ohne Maske und ohne Lüftung", sagt Focke. Es muss auch nicht die Party zuhause ein: Da reicht es schon, länger in einer Gruppe an einer Straßenecke zu stehen. "Da braucht nur ein Infizierter zu sein, damit es viele Kranke gibt." Eine Maske schützt, auch im Bus: "Es ist nicht bekannt, dass es eine Übertragung in öffentlichen Verkehrsmitteln gegeben hat", so Focke im "Insta-Live" der Aktuellen Stunde.
Besseres Immunabwehr, weniger Vorerkrankungen
Warum die unter 30-Jährigen relativ glimpflich davon kommen, hat zwei Gründe, sagt Focke. Ihr Immunsystem funktioniert besser als bei den Älteren, deren Körper oft ohnehin schon mit vielen Entzündungen zu kämpfen hat. Außerdem leiden sie seltener unter schweren Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Asthma.
Das Virus bleibt gefährlich
Das bedeutet aber auch: Jüngere Patienten könnten sterben, wenn sie Vorerkrankungen haben, wie US-Studien zeigen. Aber auch sportliche und eigentliche gesunde Menschen sind davor nicht sicher. Deswegen warnen Wissenschaftler davor, das Virus zu unterschätzen und die Infektionszahlen weiter steigen zu lassen. Auch, weil dann wieder vor allem die Älteren gefährdet wären. Nicht ohne Grund: Das RKI hat in seinem aktuellen Lagebericht festgehalten, dass sich die Fälle in Alten- und Pflegeheimen wieder häufen.