Private Partys in den eigenen Räumen verbieten, wenn das Hygienekonzept nicht stimmt? Diese Linie wollte die Landesregierung bei den Corona-Maßnahmen bislang nicht übertreten. NRW-Ministerpräsident Laschet setzt darauf, dass die Menschen bei steigenden Infektionszahlen freiwillig auf größere Feiern verzichten. Die Stadt Hamm beschränkt private Feiern in eigenen Räumlichkeiten aber nun doch. Der sogenannte 7-Tage-Inzidenz-Wert ist laut RKI der höchste in Deutschland - mit 94,4 Infizierten auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche.
"Wir glauben, dass die Landesregierung hier eine Lücke lässt", sagt der Pressesprecher der Stadt Hamm, Tobias Köbberling, dem WDR. "Wir können uns das in Hamm nicht leisten. Wir haben die Pflicht gegenüber unseren Bürgern, die Zahlen runterzubringen." Auf privaten Feiern, auch in eigenen Räumlichkeiten, herrsche ein großes Infektionsrisiko.
Hamms Oberbürgermeister findet landesweite Regelung nicht richtig
Hamm weitet mit den neuen Regeln die Beschränkungen aus, die bislang nur für Feiern in angemieteten Räumen galten. Jetzt müssen für alle privaten Partys über einer Teilnehmerzahl von 25 Personen spätestens drei Tage vor der Veranstaltung Ausnahmegenehmigungen der Stadt eingeholt werden. Dazu gehören verpflichtend Listen mit den voraussichtlichen Teilnehmenden der Veranstaltung sowie ein Hygienekonzept. Die Stadt kann den Antrag ablehnen und hat somit die Möglichkeit, jede Feier über 25 Personen zu verbieten. Diese Regeln gelten, solange Hamm über dem 50er-Schwellenwert liegt. Bei Verstößen droht ein Bußgeld in Höhe von 2.500 Euro.
Hamms Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann (CDU) habe der Landesregierung vor den neuen Maßnahmen gesagt, dass er die landesweite Regelung so nicht richtig finde, so die Stadt. Auf WDR-Anfrage sagte NRW-Gesundheitsminister Laumann, dass er die kommunale Entscheidung "vor dem Hintergrund der hohen 7-Tages-Inzidenz in Hamm für nachvollziehbar" halte.
Hamm: "Eine WG-Party eng an eng können wir gerade nicht erlauben"
Die Stadt Hamm kann nachvollziehen, dass sich manche Menschen um ihre Privatsphäre sorgen. "Aber unter 25 Teilnehmenden darf man ja feiern", sagt Tobias Köbberling. "60 Leute sind ja selten in einer Wohnung. Eine WG-Party eng an eng können wir gerade nicht erlauben. Das Risiko ist zu groß."
Die Kontrolle der neuen Regeln übernimmt das Ordnungsamt - allerdings nicht proaktiv, sondern nur bei Hinweisen von Anwohnenden. Die Stadt hofft, dass zu große Feiern dann bereitwillig aufgelöst werden. In Ausnahmesituationen müsse man die Polizei holen. Eine Stellungnahme der Landesregierung zu den neuen Maßnahmen in Hamm gab es auf WDR-Anfrage noch nicht.
Verfassungsrecht-Experte: Eingriff in private Feiern zuhause nur bei konkreten Hinweisen
Private Wohnungen stehen verfassungsrechtlich unter besonderem Schutz. Der Rechtsanwalt und Verfassungsrecht-Experte Julius Reiter erklärt im Gespräch mit dem WDR, dass der Staat hier nur in einer "ernstzunehmenden Gefahrensituation" eingreifen dürfe. Die Corona-Pandemie sei nach wissenschaftlichen Erkenntnissen eine solche Situation, die Eingriffe ins Private rechtfertigen könne.
Reiter betont aber, dass Ordnungsämter oder Polizei bei Veranstaltungen im privaten Wohnungsbereich nur eingreifen dürften, wenn es konkrete Hinweise auf eine erhöhte Infektionsgefahr gebe: "Hier ist im Einzelfall zu berücksichtigen, wie viele Personen zusammenkommen, wie groß die Privaträume sind, ob sie gelüftet werden." Die Regelung in Hamm hält er deshalb für nicht rechtmäßig. Denn bei einer allgemeinen Pflicht zur Anmeldung gehe es eben nicht um konkrete Hinweise.