Seit dem Beginn der Corona-Krise hat sich die Situation von Kindern und Jugendlichen leicht verbessert: Die Schulen sind wieder offen und auch Sport- und Freizeitmöglichkeiten gibt es wieder - trotz aller Einschränkungen.
Dass der Alltag der Jugend noch weit von der Normalität entfernt ist, zeigt eine aktuelle Studie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Zwar habe der psychische Druck etwas nachgelassen, so die Wissenschaftler. Dennoch leiden immer noch unzählige Kinder und Jugendliche unter den Beschränkungen. Ein Überblick.
Was haben die Forscher herausgefunden?
Rund ein Drittel der Kinder und Jugendlichen zwischen sieben und 17 Jahren leiden immer noch stark unter den Einschränkungen ihrer Lebensqualität in der Corona-Krise. Vor der Pandemie hatten nur rund ein Fünftel der Altersgruppe über solche Probleme berichtet. Das ist das traurige Ergebnis der mittlerweile schon dritten Copsy-Studie (Corona und Psyche) der Uniklinik Hamburg-Eppendorf, für die von Mitte September bis Mitte Oktober 2021 mehr als 1.100 Mädchen und Jungen sowie mehr als 1.600 Eltern befragt wurden.
Allerdings zeigt die Studie auch, dass sich die Situation im Vergleich leicht verbessert hat - oder zumindest eine gewisse Gewöhnung eingetreten ist. Bei der letzten Copsy-Umfrage von Mitte Dezember 2020 bis Mitte Januar 2021 hatten noch 80 Prozent in der Altersgruppe über Einbußen ihrer Lebensqualität geklagt.
Gibt es auch schlechte Nachrichten?
Leider ja. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die infolge der Krise psychische Auffälligkeiten entwickelt haben, ist immer noch viel zu hoch: Rund 29 Prozent haben noch mit Angststörungen oder depressiven Phasen zu kämpfen. Bei der letzten Befragung war noch etwa ein Drittel der Altersgruppe betroffen - die Situation hat sich also nur leicht entspannt. Vor der Pandemie hatten nur rund 19 Prozent über solche Probleme berichtet.
Was weiß man über die Auswirkungen der aktuellen Omikron-Welle?
Nicht viel: Die Studien zur dritten Befragung fanden im Spätsommer und Herbst letzten Jahres statt. Das war eine Zeit, als die Zahl der Neuinfektionen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau waren und die Corona-Regeln relativ locker gehandhabt wurden. Die Schulen waren zu diesem Zeitpunkt wieder geöffnet, es gab wieder mehr Angebote für Sport und Freizeit und kaum noch Kontaktbeschränkungen. Es könnte also sein, dass die Belastung für Kinder und Jugendliche seitdem wieder stärker geworden ist.
Wie äußert sich die Belastung?
Psychosomatische Stresssymptome wie Angststörungen, Gereiztheit, Einschlafprobleme und Niedergeschlagenheit treten weiterhin deutlich häufiger auf als vor der Pandemie. Viele Kinder und Jugendliche berichten auch über Kopf- und Bauchschmerzen. Dabei sind Kinder häufiger betroffen als Jugendliche. Besonders in sozial benachteiligten Familien litten Kinder stark unter solchen Einschränkungen.
Was kann die Politik tun? Und wie können Eltern helfen?
Offene Schulen könnten einen großen Beitrag leisten, sagt Ulrike Ravens-Sieberer, die an der Studie mitgearbeitet hat: "Man hat schon zunehmend das Gefühl, dass die Politik auf die Forderungen der Fachwelt reagiert, und erneute Schulschließungen und damit auch Kontaktbeschränkungen für Kinder ausschließt. Und das war unserer Meinung nach die richtige Entscheidung."
Es bräuchte nun erheblich mehr psychotherapeutische und psychosoziale Angebote für Betroffene, erklärte die Forschungsdirektorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Mittwoch im WDR. Denn unbehandelt könnten solche Störungen bei Kinder und Jugendlichen schnell chronisch werden.
Auch den Familien müsse geholfen werden, sagt Ravens-Sieberer. Denn erst wenn es den Eltern besser gehe, könnten sie auch ihren Kindern mehr Halt und Sicherheit geben. Deshalb müssten es auch für die betroffenen Familien mehr Hilfs- und Beratungsangebote geschaffen werden.
NRW-Familienminister Joachim Stamp appellierte im Interview mit dem WDR an Erwachsene, Kinder "beim Aufholen nach Corona" nicht einem besonderen Leistungsdruck auszusetzen. Es sei wichtig darauf zu achten, "dass Kinder wieder Kinder sein können" und Jugendliche in ihrer Selbstfindungsphase gestärkt werden. "Ich glaube, das ist wichtiger als das Aufholen jeder verlorenen Schulstunde", so Stamp.
Auf die Frage, ob es möglich sei, in NRW bald für Schulen und Kitas mehr Psychologen einzustellen, antwortete Stamp, man sei "dabei, das auszubauen". Es gebe aber derzeit nicht genug Personal.
Es sei zu vermuten, dass vor allem erst einmal Schulkinder in der Pubertät psychologische Unterstützung bräuchten. Die psychologischen Gefahren für Kita-Kinder seien wohl erst einmal geringer einzuschätzen, dort könne man "mit viel liebevoller Betreuung viel auffangen. Wobei das natürlich eine bedenkliche Entwicklung ist, wenn Sie sehen, dass kleine Kinder Erwachsene jetzt schon immer mit Maske malen."
Wo gibt es Hilfe für Betroffene?
Die erste Anlaufstelle für betroffene Familien sollten Kinder- und Jugendärzte sein, die eine erste Einschätzung geben und gegebenenfalls an einen Facharzt überweisen können.
Informationen zu Behandlungs- und Beratungsstellen gibt es zum Beispiel auch bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und anderen Hilfsorganisationen. Wir haben eine Liste der möglichen Ansprechpartner zusammengestellt: