Osterruhe gekippt - Laschet: "Wir können so nicht weitermachen"
Stand: 24.03.2021, 15:31 Uhr
Während der Landtagsdebatte über den Oster-Lockdown, tagt Ministerpräsident Laschet erneut mit den Länderchefs und der Kanzlerin. Das Ergebnis: Der Lockdown über Ostern wird zurückgenommen, der Ministerpräsident räumt Fehler ein.
Von Per Quast
Der Morgen von Ministerpräsident Armin Laschet - ein großes Hin und Her. Ähnlich wie die Politik der Bundesregierung. Erst sprach Ministerpräsident Laschet über die Beschlüsse der letzten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vor dem NRW-Landtag. Während die Debatte im Plenum weiterlief, nahm er an einem erneuten, diesmal außerordentlich kurzen Treffen der MPK teil - und das hatte es in sich.
Nach dem Treffen der Länderchefs mit der Kanzlerin musste Laschet erneut vor den nordrhein-westfälischen Landtag treten. Er verkündete, dass der beschlossene Osterlockdown nun doch zurückgenommen werde. Die Verantwortung dafür habe die Kanzlerin übernommen, wobei Laschet korrigierte, alle Ministerpräsidenten hätten den Beschluss mitgetragen, daher stünden auch alle in der Verantwortung.
Laschet zeigt sich selbstkritisch
Und zum zweiten Mal an diesem Mittwochmorgen zeigt sich der Ministerpräsident betont selbstkritisch. Bereits in seiner Auftaktrede, als der Osterlockdown noch steht und er das Parlament über die Beschlüsse der MPK unterrichten will, räumt Laschet Fehler ein.
Über das Treffen der Länderchefs mit der Kanzlerin am vergangenen Montag sagt er: "Wir können so nicht weitermachen". Die Menschen seien enttäuscht von den jüngsten Beschlüssen, das müsse man sich selbstkritisch eingestehen. Jetzt gelte es die Fehler aufzuarbeiten, dazu wolle man sich gleich kurzfristig erneut treffen.
Appell an den Gemeinschaftsgeist
Mehrfach appelliert Laschet an die Opposition im Landtag. Man müsse jetzt großen Gemeinschaftsgeist hinbekommen. Er räumt ein, es sei vieles falsch gelaufen auf Landes- und Bundesebene. Auch die Landesregierung habe natürlich Fehler gemacht. Allerdings gelinge es auch bei der MPK Kompromisse über Parteigrenzen hinweg zu finden.
Außerdem arbeiteten alle Mitarbeiter in den Ministerien in NRW jeden Tag hart, um es gut zu machen. Laschet schließt mit den Worten: "Wir zerreißen uns für dieses Land und bitten, dass das anerkannt wird und dass wir gemeinsam einen Weg aus der Krise finden." Dann verlässt Laschet die Sitzung, um erneut mit Kanzlerin und Ministerpräsidenten zu beraten.
Opposition wirft Landesregierung fehlende Corona-Strategie vor
Thomas Kutschaty (SPD) wirft der Landesregierung im Anschluss vor, auf viele große Ankündigungen folge nichts. Für diese Untätigkeit zahlten die Bürger jetzt mit einem erneuten Lockdown. Im April vergangenen Jahres hätten er, aber auch der Expertenrat, der die Landesregierung in der Pandemiebekämpfung berät, eine umfassende Teststrategie gefordert, passiert sei aber nichts. Gleiches gelte für die digitale Kontaktnachverfolgung, etwa durch eine Weiterentwicklung der Corona-Warn-App. Das habe der Ministerpräsident im November angekündigt, passiert sei aber auch hier nichts.
Verena Schäffer (Grüne) kritisiert die Kommunikation von Bundes- und Landesregierung. Wer erst ein Lockdown beschließe und dann lockere, um in einen noch härteren Lockdown zu gehen, der habe zurecht ein Glaubwürdigkeitsproblem. Auch sie kritisiert die fehlende Teststrategie der Landesregierung. In Betrieben, in denen für die Mitarbeitenden keine Arbeit aus dem Home Office möglich sei, sollten Tests zur Pflicht werden. Nach einem Jahr brauche es endlich entschiedenes Handeln und keine zögerliche Kompromisssuche.
Auch Regierungsfraktionen sehen Osterlockdown kritisch
Bodo Löttgen (CDU) verteidigt das Coronamanagement der Landesregierung und wirft der Opposition vor, unrealistische Forderungen, etwa was das Testen angeht, zu stellen. Das sei keine seriöse Politik, sondern Besserwisserei. Auf Distanz geht Löttgen bei der sogenannten Osterruhe. Er fordert, was genau in diesen Minuten geschieht, dass die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin noch einmal abwägen mögen, ob die Vorteile des fünftägigen Shutdowns die Nachteile rechtfertigten. Er verweist darauf, dass vor allem ungeschützte Kontakte im privaten Raum Infektionstreiber seien, die würde man aber mit der Schließung der Geschäfte nicht verhindern.
Christof Rasche (FDP) pflichtet Löttgen bei, eine Reduzierung der ungeschützten Treffen würde das Risiko erheblich minimieren. Stattdessen setze die FDP-Fraktion auf kontrollierte Treffen unter freiem Himmel, etwa in der Außengastronomie. Durch das Schließen aller Geschäfte am Gründonnerstag, das zu dem Zeitpunkt noch zur Debatte stand, sorge man aber an den Tagen vorher für Menschenmassen in den Geschäften. Das sei falsch und im Sinne des Gesundheitsschutzes kontraproduktiv.
Osterruhetag wird gekippt
Martin Vincentz (AfD) beginnt seine Rede mit der Eilmeldung, dass die Osterruhe nun doch gekippt wurde. Es brauche kein Lockdown, sondern eine Notbremse für die Torheiten der Politik, fordert er. Die Einschränkungen der Grundrechte seien falsch, da Untersuchungen belegen würden, dass Lockdowns tendenziell mehr Schaden als Nutzen ausrichten würden. Er kritisiert die alleinige Fokussierung auf den Inzidenzwert, stattdessen brauche es ein allgemeines Testkonzept und die Umsetzung innovativer Ideen bei der Pandemiebekämpfung.
Laschet kommt zurück
Während die Debatte im Landtag weiter läuft, kehrt Armin Laschet zurück und erklärt, dass die rechtliche Prüfung ergeben habe, dass die Osterruhe nicht zu machen sei. Man könne eben nicht 10 Tage vorher einfach einen gesetzlichen Feiertag einführen.
Eine Spitze in Richtung der AfD kann sich Laschet dabei nicht verkneifen. In der MPK hätten die Vertreter parteiübergreifend das Ziel, das Virus zu bekämpfen und Ostern zur Ruhe zu kommen. Die AfD leugne weiter die Gefahr des Virus und sei deswegen im Kampf gegen Corona kein Partner.
Die Kritik an der MPK als Entscheidungsgremium weist Laschet zurück. Die Zuständigkeit lege nun einmal bei den Ländern, daher könne der Bundestag nicht entscheiden. Die Beratungen von 16 Ministerpräsidenten verschiedenster Parteien seien zwar mühsam, aber auch Zentralstaaten wie Frankreich seien nicht besser, sondern manchmal sogar schlechter durch die Pandemie gekommen. Selbstkritisch sagt er, dass man in der MPK allerdings wieder zu einem Stil finden müsse, wo man beraten und auch einmal irren könne, ohne das die Details aus den Beratungen nach wenigen Sekunden in die Medien gelangten.
Brauchen ein Modell wie Tübingen überall
Laschet lobt erneut die Pandemiebekämpfung in der Stadt Tübingen. Dort hat der Oberbürgermeister von den Grünen, Boris Palmer, schon länger einen Weg mit mehr Schutz für Ältere und mehr Tests eingeschlagen und damit Erfolg. Bereits in seiner ersten Rede hatte Laschet einen Dreiklang aus Impfen, Testen und digitaler Kontaktnachverfolgung gefordert. Damit solle dieses Modell auch auf andere Regionen übertragen werden. "Wir brauchen Tübingen überall", sagt Laschet.
Lob für Laschets Selbstkritik
Nach dem Ministerpräsidenten dürfen auch die Vertreter der Fraktionen im Landtag erneut sprechen. Von allen Parteien wird die Absage des Osterlockdowns begrüßt. Auch dass der Ministerpräsident nach der neuerlichen MPK umgehend in den Landtag zurückkam, sei sehr gut gewesen.
Laschets Selbstkritik und das Eingestehen von Fehlern wurde von den Abgeordneten als positives Angebot wahrgenommen. Jetzt müsse man die Chance nutzen, gemeinsam an Strategien zur Pandemiebekämpfung zu arbeiten. Der vom Ministerpräsidenten beschworene Gemeinschaftsgeist - hier zeigt er sich wenigstens ein bisschen.