NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat sich in Rassismus-Verdacht gebracht - und damit scharfe Kritik provoziert. "Höchst gefährlich" sei Laschets Äußerung über rumänische und bulgarische Arbeiter in dem von Corona schwer getroffenen Schlachtbetrieb Tönnies, befand Bundesaußenminister Heiko Maas am Donnerstag (18.06.2020) beim Besuch in der bulgarischen Hauptstadt Sofia - und forderte eine Entschuldigung von ihm.
Laschet hatte vor laufenden Kameras am Mittwoch (17.06.2020) auf die Frage, was der Corona-Ausbruch über die bisherigen Lockerungen aussage, geantwortet: "Das sagt darüber überhaupt nichts aus, weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt. Das wird überall passieren." Im nächsten Satz verwies Laschet auf die Unterbringung und Arbeitsbedingungen in den Betrieben.
Heftige Kritik von allen Seiten
Die Kritik kam prompt und war vernichtend:
- Thomas Kutschaty, SPD-Fraktionschef: "Mit diesem Zitat hat sich Armin Laschet die Denke von Tönnies eins zu eins zu Eigen gemacht. Das ist unterste Schublade." Tönnies waren vor knapp einem Jahr rassistische Äußerung vorgeworfen worden. Laschets Argumentation sei "zudem völlig absurd", sagte Kutschaty. "Diejenigen, die Herr Tönnies tagtäglich ausbeutet, sollen jetzt Schuld für die Ausbreitung des Virus sein? Das kann nicht sein Ernst sein!"
- Volker Brüggenjürgen, Geschäftsführer des Caritasverbandes im Kreis Gütersloh: "Es ist sehr leichtfertig, das nun auf die Nationalität von Beschäftigten zu verkürzen." Es sei zu befürchten, dass im öffentlichen Gedächtnis hängen bleibe, dass die Beschäftigten aus Rumänien und Bulgarien verantwortlich für den Ausbruch seien. Das sei unhaltbar und könne auch den sozialen Zusammenhalt vor Ort gefährden.
- SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bezeichnete es als "unsouverän, dass Herr Laschet als erstes die Bulgaren und die Rumänen, also die Arbeiter, die herkommen, um hier wirklich unter widrigen Umständen in der Fleischindustrie zu arbeiten, dass er die angreift".
- Pater Peter Kossen, der die Zustände in der Fleischindustrie seit Jahren anprangert, kritisierte, mit solchen Aussagen würden Opfer zu Tätern gemacht. "Dann heißt es nachher: Die 'dreckigen Rumänen', die es mit der Hygiene nicht so wichtig nehmen, die tragen uns hier die Krankheit rein. Dann sind wir mitten in der Rassismus-Debatte, die wir weltweit haben."
Laschet erklärt sich
Laschet hat angesichts der Kritik am Donnerstag (18.06.2020) klargestellt: "Menschen gleich welcher Herkunft irgendeine Schuld am Virus zu geben, verbietet sich. Mir ist wichtig klarzumachen, dass das für mich wie für die gesamte Landesregierung selbstverständlich ist."
Er erklärte weiter, dass "die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung der Menschen dazu beigetragen haben, dass sich das Coronavirus unter den Mitarbeitern des Schlachtbetriebs in Gütersloh derart ausbreiten konnte".
Mit Bezug auf seine ursprüngliche Aussage zu eingereisten Arbeitern ergänzte er: "Es gibt eine Vielzahl von Risiken für die Verbreitung von Viren, dazu gehören auch die Bedingungen und die Form des Reiseverkehrs innerhalb Europas. Wir wollen ja aber gerade offene Grenzen und einen europäischen Arbeitsmarkt."
Die Landesregierung tausche sich seit Wochen mit den Vertretern der betroffenen Länder aus, um substanzielle Verbesserungen bei den Bedingungen "insbesondere für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien zu erreichen".
Maas: "unqualifizierte Bemerkung"
Trotz Laschets Klarstellungen sprach Maas auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der bulgarischen Außenministerin Ekaterina Zaharieva von einer "unqualifizierten Bemerkung". Dafür gebe es keine sachliche Grundlage. "Ich glaube, mit einer Entschuldigung würde er sich selber den größten Gefallen tun."
"Es ist höchst gefährlich, über solche Schuldzuweisungen, die in der Sache auch noch absurd sind, Diskussionen, die wir auch in Deutschland haben, zu verstärken und auch zu verschärfen", sagte Maas. Laschet gieße damit "Öl ins Feuer", wie es "niemand, der verantwortliche Politik macht, tun darf".
Bulgarische Außenministerin: Äußerung war "wirklich unangemessen"
Auch die bulgarische Außenministerin Zaharieva kritisierte seine ursprüngliche Äußerung trotzdem scharf. "Ich bin der Meinung, dass dieses Statement wirklich unangemessen war", sagte sie. Sie sprach in dem Zusammenhang laut offizieller Übersetzung auch von Rassismus, ohne Laschet das aber direkt vorzuwerfen.