Angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen erwägt die Bundesregierung offenbar radikale Maßnahmen: Seit Donnerstag kursiert ein Entwurf des Gesundheitsministeriums zur Einführung einer Corona-Testpflicht für alle Reiserückkehrer, und vorher wurde bereits ein vorübergehendes Verbot von Urlaubsreisen ins Ausland erwogen.
Derzeit laufe "ein Prüfauftrag, ob es nicht die Möglichkeit gibt, Reisen in beliebte Urlaubsgebiete im Ausland vorübergehend zu unterbinden", erklärte Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch.
Wäre so ein Verbot überhaupt mit nationalem und internationalem Recht vereinbar? Was ist, wenn die Reise schon längst gebucht und bezahlt ist? Fragen und Antworten.
Sind Reiseverbote rechtlich überhaupt durchsetzbar?
Theoretisch ja. Grundlage könnte das "Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" sein, das erst Mitte November im Bundestag beschlossen wurde. Durch das Gesetz wurde eine neue Vorschrift über "besondere Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2" in das Infektionsschutzgesetz eingefügt (§ 28a Abs. 1 IfSG), wonach für die Dauer "einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" verschiedene Einschränkungen der Grundrechte angeordnet werden können.
Ausdrücklich wird dort auch die "Untersagung oder Beschränkung von Reisen, insbesondere touristischer Reisen" erwähnt.
Wie wahrscheinlich ist ein Verbot?
Einfach wird es wohl nicht. Selbst die Regierungssprecherin sprach von "verfassungsrechtlich schwierigen" Fragen, die zunächst geklärt werden müssen. Die SPD lehnt den Vorschlag ab. "Ein generelles Verbot von Reisen in beliebte Urlaubsgebiete im Ausland wird es mit der SPD-Fraktion nicht geben", sagte ihr parlamentarischer Geschäftsführer Carsten Schneider, es sei "unverhältnismäßig".
Wahrscheinlicher sei, dass Auslandsreisen durch neue Regeln nur erschwert werden, meint Marco Müller aus der WDR-Wirtschaftsredaktion: "Zum Beispiel durch eine Quarantänepflicht nach der Rückreise."
Hat es schon einmal Reiseverbote gegeben?
In Deutschland - nein. Allerdings hat aktuell Großbritannien ein solches Verbot erlassen. Ab kommender Woche gilt auf der Insel ein allgemeines Verbot für private Auslandsreisen. Wer sich nicht daran hält, für den könnte der Urlaub teuer werden: Es drohen Bußgelder von umgerechnet 5.800 Euro.
Unterschied Reisewarnung - Reiseverbot?
In der Vergangenheit hatte die Bundesregierung lediglich Reisewarnungen für bestimmte Länder ausgesprochen. Voraussetzung ist, dass Reisenden dort konkrete Gefahren für Leib und Leben drohen. Gegebenenfalls kann auch nur vor Reisen in bestimmte Regionen eines Landes gewarnt werden (Teilreisewarnung). Deutsche, die sich schon im Ausland aufhalten, können zur Ausreise aufgefordert werden. Aber: Reisewarnungen sind kein juristisches Ausreiseverbot - nur eine dringende Empfehlung.
Was ist mit bereits gebuchten Reisen?
Das ist noch unklar. Möglich ist aber, dass bei einem Reiseverbot die gleichen Regeln gelten, wie bei einer Reisewarnung. Der EU-Pauschalreiserichtlinie zufolge können Kunden in solchen Fällen kostenlos von einer Reise zurücktreten, da "unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände" vorliegen.
Können Individualreisende wegen eines Reiseverbots ihren Flug nicht antreten, dürfen sie nach der aktuellen Rechtsprechung das Flugticket kostenlos stornieren. Kompliziert wird es, wenn bereits eine Unterkunft im Ausland gebucht und bezahlt wurde. Denn gewöhnlich gilt in solchen Fällen das Recht des Urlaubslands. Falls das Reiseverbot wirklich kommt, wird die Bundesregierung dafür eine Lösung finden müssen.