Müssen Eltern auf zwei Tage Kinderbetreuung verzichten, um Familienbesuche zu Weihnachten trotz Corona möglich zu machen? Diese und andere Gedanken machen sich nun Mütter, Väter, Schüler und Lehrer, nachdem NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch verkündete, aus diesem Grund die Weihnachtsferien vorzuziehen.
Dass sich Familien vor Weihnachtsbesuchen in eine einwöchige Quarantäne begeben, hatte Virologe Christian Drosten schon vor längerer Zeit vorgeschlagen. "Und wenn in dieser Woche keiner auch nur die leisesten Symptome kriegt, da ist es doch fast ausgeschlossen, dass irgendwer hier infiziert ist", sagte er in seinem Podcast vom NDR.
Klar ist aber auch: Eine einwöchige Quarantäne bietet zwar einen guten Schutz für alle Beteiligten. Aber sie stellt eben keine hundertprozentige Sicherheit dar. Familien müssen genau abwägen, ob sie für ein Weihnachtsfest mit Oma und Opa auch bereit sind, ein überschaubares Risiko einzugehen.
Landesschülervertretung begrüßt frühere Weihnachtsferien
Insgesamt wird der frühere Ferienbeginn aber meist positiv aufgenommen. Dass am 21. und 22. Dezember kein Unterricht stattfindet hält die "Landesschüler*innenvertretung" (LSV) für eine gute Idee.
"Die LSV NRW begrüßt die Entscheidung die Winterferien vorzuziehen", sagte Vorstandsmitglied Linh Lürwer auf WDR-Anfrage. Man unterstütze das Vorhaben, "das Infektionsrisiko dadurch zu minimieren."
Schüler wie der 18-jährige Tom aus Bonn sehen durch die vorgezogenen Ferien aber auch Probleme auf sich zukommen. Denn dadurch müssten Klausuren wohl auf Termine nach den Ferien verschoben werden. "Auf der einen Seite bringt das mehr Zeit zum Lernen - auf der anderen Seite geht einem über die Ferien dann die Motivation so ein bisschen verloren."
Eltern-Reaktion: Wie wird die Kinderbetreuung gelöst?
Vor allem bei Eltern sorgt die Entscheidung für viele Fragen. "Bekommen Erwerbstätige dann die Tage als bezahlten Sonderurlaub zur Betreuung ihrer Kinder und der Arbeitgeber 100 Prozent Entschädigung?", fragt Facebook-Userin Svenja Streich bei WDR aktuell.
"Was soll ich mit den Kindern denn tun, wenn ich keine freien Urlaubstage mehr hab?", fragt Facebook-User Sven Spittank.
Elternverein verlangt langfristige Konzepte
Solche Fragen höre sie immer wieder, erklärte Andrea Heck, Vorsitzende des Elternvereins NRW, am Donnerstag bei "WDR aktuell". Allerdings hätten Eltern jetzt noch fünf Wochen Zeit, um sich zu organisieren - das dürfte in den meisten Fällen ausreichen. "Die Lösung ist gut und ermöglicht einen gewissen Schutz für die Weihnachtsstage."
Noch besser wäre es aber, meint Heck, wenn das NRW-Schulministerium endlich den Widerstand gegen ein dauerhaftes und wirksames Infektionsschutz-Konzept an den Schulen aufgeben würde - mit kleineren Klassen und mehr Homeschooling. Nur so könne man die Infektionsgefahr in den Schulen in den Griff bekommen - auch nach der Weihnachtszeit.
Kitas bleiben wohl offen
Auch wenn viele Fragen noch offen sind: Zumindest die Eltern von Kleinkindern müssen sich nach aktuellem Stand keine Sorgen über die Betreuung machen. Anders als die Schulen bleiben die Kindertagesstätten bis kurz vor Weihnachten offen. Wenn eine Familie sich vor Heiligabend isolieren möchte, bleiben die Kita-Kinder einfach zuhause.
NRW-Schulministerin Gebauer: "Notbetreuung sicherstellen"
Bei WDR5 sagte Schulministerin Gebauer: Man spreche nun darüber, "wie wir eine Notbetreuung für Kinder und Jugendliche an diesen beiden Tagen sicherstellen können für Eltern aus systemrelevanten Berufen, für Kinder, die eben nicht zu Hause an diesen beiden Tagen versorgt werden können".
Aber was bedeutet das konkret? Werden nur Eltern aus systemrelevanten Berufen Anspruch auf Notbetreuung haben? Und findet die Notbetreuung klassenübergreifend statt - und dadurch womöglich mit erhöhtem Infektionsrisiko? Diese Antworten ließ das Schulministerium heute trotz WDR-Nachfrage offen.
Kritik von SPD, Grünen und Lehrern
Weitere Kritik an der Entscheidung, die Weihnachtsferien vorzuziehen, kommt von der Opposition. Auf Antrag von SPD und Grünen wird es im Plenum des Landtags eine Aktuelle Stunde geben. Dann soll sich die Landesregierung erklären.
Auch vonseiten der Lehrer gibt es Kritik und offene Fragen. "Diese Idee ist nicht dienlich", sagte Sabine Mistler vom Philologenverband der "Rheinischen Post". Wichtig sei vor allem, dass insbesondere Oberstufenschüler noch ihre Klausuren schreiben könnten, da es in der jetzigen Situation kaum eine Verschiebemöglichkeit gebe.
Nach Ansicht von Andreas Bartsch vom NRW-Lehrerverband ist die Entscheidung verfrüht. "Je nach Infektionslage sollten dann Virologen beurteilen, ob dies sinnvoll ist", sagte er der Zeitung. Zudem sei nicht sicher, ob sich die Schüler in dieser Zeit in Quarantäne begäben.