Jörg Schieb zum Fristende für TikTok | WDR aktuell
03:04 Min.. Verfügbar bis 19.01.2027.
TikTok in USA wieder erreichbar
Stand: 19.01.2025, 21:12 Uhr
Kurz nachdem die Videoplattform TikTok in den USA offline gegangen war, ist sie nun wieder nutzbar. Das steckt dahinter.
Von Daniel Schwingenheuer und Jörn Kießler
Am Sonntagmorgen nahmen User in den USA ihr Smartphone in die Hand, um darauf TikTok zu öffnen und sahen nur den Hinweis "Sorry, TikTok isn’t available right now". Der chinesische Konzern Bytedance hatte die App in den USA offline genommen und war damit einem Verbot durch die US-Regierung zuvorgekommen. Mittlerweile hat der zukünftige US-Präsident Trump angekündigt, das angedrohte Verbot per Dekret nichtig zu machen.
Wie es zu dem Verbot kam und was das für die rund 170 Millionen TikTok-Nutzer in den USA bedeutet hätte: Fragen und Antworten.
Wie kam es zu dem Verbot von TikTok in den USA?
Der Grund für das Verbot von TikTok in den USA ist vor allem die Nähe des Konzerns zur chinesischen Regierung. Die USA befürchten, dass der Mutterkonzern Bytedance die App einerseits dafür nutzt, um US-Bürger auszuspionieren, und sie andererseits über die Videoplattform manipuliert. Um das zu verhindern, trat im April 2024 ein Gesetz in Kraft, nach dem Bytedance 270 Tage Zeit hatte, TikTok zu verkaufen. Diese Frist lief am Sonntag ab.
Wie reagierte TikTok auf das drohende Verbot?
Der Mutterkonzern Bytedance verkaufte TikTok nicht. Stattdessen reichte er Klage gegen das Gesetz ein. Am Freitag bestätigte der Oberste Gerichtshof der USA jedoch, dass das Verbot rechtmäßig sei. Der drohenden Abschaltung kam TikTok am Sonntag jedoch zuvor und nahm die App selbst offline. Mittlerweile wurde die App wieder aktiviert.
Wie waren die Prognosen?
Der Journalisten Martin Fehrensen, der den "Social Media Watchblog" betreibt, hatte vorausgesagt, dass das Verbot nicht von Dauer sein würde.
Wenn ich Geld darauf verwetten müsste, dann würde ich sagen: TikTok geht am Sonntag kurzzeitig offline und wird dann von Trump am Montag oder Dienstag sozusagen reinstalliert. Martin Fehrensen, Technikjournalist, Autor des "Social Media Watchblog"
Genau das ist passiert: Trump kündigte an, den in den USA verhängten Bann für die Videoplattform TikTok per Dekret auszusetzen. In seinem Onlinedienst Truth Social erklärte der Republikaner am Sonntag, er sei dafür, dass der vom chinesischen Mutterkonzern Bytedance betriebene Dienst künftig in einem Joint Venture, also in einem Zusammenschluss von Unternehmen, zur Hälfte in US-Besitz sein solle.
Trump tritt seine zweite Amtszeit als US-Präsident am Montag an. Durch sein Dekret werde es einen Aufschub für die Umsetzung des Banns geben, so dass Zeit für einen "Deal" sei. Das Gesetz erlaubt einen Aufschub von 90 Tagen, wenn es Fortschritte auf dem Weg zu einer Absprache gibt.
Was würde ein Verbot für Nutzer bedeuten?
Die Menschen, die beruflich auf die App angewiesen sind, versuchen laut dem Technik-Journalisten Fehrensen schon seit Monaten, ihre Follower von TikTok auf andere Plattform zu locken. "Youtube, Instagram oder andere, chinesische Apps, stehen dabei paradoxerweise hoch im Kurs", sagt Fehrensen. Eine dieser chinesischen Plattformen ist RedNote, zu der bereits hunderttausende User wechselten.
Sollte TikTok in den USA aber tatsächlich doch verboten und final abgeschaltet werden, hätte das auch spürbare Auswirkungen auf europäische Nutzer, auch wenn die App hier weiterhin verfügbar bleibt. "Zum einen würde der Wegfall von 170 Millionen US-Nutzern auf Dauer zu einer deutlichen Reduzierung der Inhaltsvielfalt führen, da viele Trends und virale Phänomene traditionell aus den USA stammen", erklärt Digital-Experte Jörg Schieb. Auch beliebte US-amerikanische Content Creator wären nicht mehr auf der Plattform verfügbar, was das Nutzererlebnis für europäische Fans dieser Künstler zweifellos einschränken würde.
Technisch gesehen könnte die Abschaltung der US-Server laut Schieb zu einer Verschlechterung der App-Performance führen, da die gesamte Server-Infrastruktur neu organisiert werden müsste. Zwar verfügt TikTok mittlerweile über eigene Rechenzentren in Europa - konkret in Dublin und Norwegen - die europäische Nutzerdaten speichern, jedoch ist bei einem global agierenden Dienst ein gewisser Datenaustausch zwischen den Regionen unvermeidbar. Die Fragmentierung der technischen Infrastruktur könnte sich daher negativ auf die Geschwindigkeit und Stabilität der App auswirken. Auch müssten mehr technische Innovationen in der EU erfolgen, die bislang in den USA erfolgen.
Was ist RedNote?
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RedNote auf Platz 1 der US-App Store Charts
Auch RedNote kommt aus China. Dort ist die App unter dem Namen "Xiaohongshu" bekannt – übersetzt heißt der Name "Kleines Rotes Buch". Sie wurde 2013 ins Leben gerufen und hieß zunächst "Hong Kong Shopping Guide". Ziel war es damals, chinesischen Touristen Empfehlungen vorzuschlagen. In den letzten Jahren ist RedNote aber zu einer Art Suchmaschine für seine inzwischen 300 Millionen Nutzer geworden. Es geht um Reisetipps, Anti-Aging-Cremes oder Restaurantempfehlungen. Gleichzeitig können eigene Videos, Bilder oder Texte geteilt werden. Eine Mischung aus TikTok, Instagram und Pinterest.
Dass ausgerechnet RedNote für viele US-Nutzer zu einer TikTok Alternative wird, kommt überraschend. Zum einen sind viele Inhalte auf Mandarin verfasst und die App-Betreiber kommen mit der Übersetzung der Inhalte auf Englisch nicht hinterher, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich auf Insider. Zum anderen erfüllt RedNote viele Kriterien, wegen derer TikTok in der Kritik steht.
Wird auch RedNote verboten?
Die US-Regierung befürchtet Spionage und Einflussnahme durch TikTok. Aus diesem Grund wurde im letzten Jahr der "Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act" ins Leben gerufen. Ein Gesetz also, das die Amerikaner vor der Einflussnahme aus dem Ausland durch Apps schützen soll. Es ist die Grundlage für das angekündigte Verbot gegen TikTok.
Je mehr Aufmerksamkeit RedNote in den USA bekommt, desto mehr Kriterien erfüllt die App, um ebenfalls als Risiko bewertet werden zu können. Ein Punkt ist beispielsweise die Grenze von 1 Million aktiver Nutzer im Monat. Diese Grenze hat RedNote bereits überschritten. Mit der Firmenzentrale in Shanghai erfüllt RedNote bereits ein weiteres Kriterium.
Die Nachrichtenseite CBS News zitiert einen US-Beamten mit den Worten: "Das ist die Art von App, der die gleichen Restriktionen wie TikTok auferlegt werden könnte."
Bisher laufen allerdings keine Verfahren.
Wie funktioniert eine TikTok-Sperrung?
Das TikTok-Verbot in den USA ist für die User streng genommen gar kein Verbot. Niemand muss die App deinstallieren. Vielmehr würde den Dienstleistern, die die Infrastruktur bereitstellen, verboten die Inhalte von TikTok zu verbreiten.
Konkret dürften Google und Apple die App nicht mehr zum Download anbieten, erzählt der Technikjournalist Martin Fehrensen. Die TikTok App könnte also nicht mehr neu installiert werden. Außerdem würde dem Unternehmen, das die Video-Server unterhält, verboten die Clips auszuspielen. Wenn jemand also TikTok öffnet, würde nichts mehr angezeigt.
Kann TikTok auch in der EU verboten werden?
In der EU ist die Situation etwas anders. Auf Grundlage des Digital Services Act (DSA) können nach Verstößen bestimmte Angebote digitaler Dienste zeitweise eingeschränkt werden. Seit der Einführung des Gesetzes im Februar 2024 gab es jedoch keinen Fall, indem der komplette Zugang zu einem Dienst oder einer App eingeschränkt wurde. Die Forderungen nach mehr Regulierungen werden laut Technikjournalist Martin Fehrensen dennoch immer mehr.
Bislang schauen wir von außen drauf und sehen, okay es ist eine Blackbox und es kann nicht wirklich nachvollzogen werden. Martin Fehrensen, Technikjournalist, Autor des "Social Media Watchblog"
Er hofft aber, dass sich im Laufe des Jahres die Situation verändert. "Der DSA sieht vor, dass wir endlich mal in die Situation kommen, dass Wissenschaftler dann bewerten können, was in diesen Apps passiert."
Vielleicht lässt sich dann auch beantworten, ob der Spionage-Vorwurf gegen TikTok berechtigt ist.
Unsere Quellen:
- Agentur Reuters
- CBS News
- Interview mit Martin Fehrensen
- Congressional Research Service
- Bundesregierung.de - Digitale-Dienste-Gesetz (DDG)
- Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) § 3, Abs. 7
- Europa.eu: Gesetz über digitale Dienste