Schalte aus Kiew mit Susanne Petersohn | WDR aktuell

01:48 Min. Verfügbar bis 01.03.2027

Eklat im Weißen Haus: So reagieren europäische Politiker

Stand: 01.03.2025, 19:24 Uhr

Der Streit zwischen Trump und Selenskyj vor laufenden Kameras im Weißen Haus hat weltweit für Fassungslosigkeit gesorgt. So reagieren Experten und Politiker aus Europa auf den Eklat.

Von Katja Goebel

Es war ein historischer Moment. Der ukrainische Präsident Selenskyj ist auf Kurzbesuch bei US-Präsident Trump im Weißen Haus. Aus dem geplanten Gespräch über ein Rohstoffabkommen wird plötzlich ein lautstarker Schlagabtausch über den Krieg. Mit erhobenem Zeigefinger geht Trump seinen Gast an - die Weltöffentlichkeit schaut zu. Auch Vize-Präsident Vance schaltet sich ein und attackiert Selenskyj scharf. Beide überschütten den Ukrainer lautstark mit Vorwürfen. "Ihr Land ist in großen Schwierigkeiten. Entweder machen sie einen Deal oder wir sind raus", droht Trump schließlich.

Dann sieht man Selenskyj kurze Zeit später in ein Auto steigen und vorzeitig abreisen. Ziel Europa. Von den USA geht es mit dem Flieger direkt nach Großbritannien. Dort wird er vom britischen Premierminister Keir Starmer erwartet. Der möchte sich als transatlantischer Brückenbauer positionieren. Für Sonntag hat er zu einem Ukraine-Gipfel in London geladen.

Verteidigungspolitiker: Schnell zu handlungsfähiger Regierung

Ob es die kalkulierte Absicht des US-Präsidenten und seines Vizes war, das ukrainische Staatsoberhaupt öffentlich bloßzustellen, oder ob schlicht die Sicherungen durchbrannten, bleibt offen. Die Reaktionen kamen prompt:

"Wir müssen Europa neu organisieren", sagt Roderich Kiesewetter, Verteidigungspolitiker, der für die CDU im Bundestag sitzt, gegenüber dem WDR. Wichtig für Deutschland sei jetzt, ganz schnell eine handlungsfähige Regierung zu bekommen. "Am liebsten wäre es mir, wenn Klingbeil und Merz am Montag vor die Kameras treten und sagen: Wir organisieren jetzt einen tragfähigen Haushalt für Verteidigung, für Katastrophenschutz, für Infrastruktumaßnahmen, sodass wir ein Zeichen für unsere Bevölkerung setzen."

"Wir müssen Europa neu organisieren" Roderich Kiesewetter, Verteidigungspolitiker

"Trump hat deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, Sicherheitsgarantien zu leisten, sondern er möchte die Rohstoffe der Ukraine plündern, das Recht des Stärkeren fördern, er ist Teil der russischen, chinesischen Allianz, er ist gegen die regalbasierte Ordnung - das ist alles gegen die Prinzipien der Nato."

Reaktionen aus der Ukraine

"Der Schock war immens", berichtet ARD-Korrespondentin Susanne Peterson aus Kiew im WDR Fernsehen. "Vor allem, weil man gehofft hatte, dass einem der wichtigste Partner nicht verloren geht." Eine Reaktion war ihr besonders in Erinnerung geblieben. So hatte ein Soldat an der Front seiner Partnerin geschrieben: "Ich hab dir gesagt, wir sind alle tot."

"Die Fassungslosigkeit ist enorm" ARD-Korrespondentin Susanne Peterson in Kiew über Reaktionen in der Ukraine

"Präsident Selenskyj hat ja gestern im Fox-Interview immer wieder seine Dankbarkeit betont. Man hat gemerkt, dass er auf gar keinen Fall will, dass das Tischtuch jetzt komplett zerschnitten ist. Es gibt ja auch die Meldung, dass er versucht hat, zurückzukehren, was Trump abgelehnt hat." Man wolle unbedingt dafür kämpfen, diesen Verbündeten nicht zu verlieren, so Peterson. "Auf der anderen Seite werden natürlich auch die Hoffnungen auf eine starke EU und auf starke europäische Partner immer größer."

Analyst Andreas Umlauf: "Rückschlag für die Ukraine"

Als großen Rückschlag für die Ukraine bezeichnet auch Andreas Umland, Analyst am schwedischen Institut für internationale Angelegenheiten, die Eskalation im Weißen Haus im Gespräch mit dem WDR. Auf die Frage, ob der Zuspruch für Selenskyj aus Europa mehr sei als reine Solidaritätsbekundungen, sagte er: "Die EU hat während der Covid- und der Finanzkrise bewiesen, dass sie kurzfristig größere Beträge für bestimmte strategische Fragen mobilisieren kann. Das steht jetzt, denke ich, erneut an. Das könnte soweit gehen, dass Europa als Unterstützer der Ukraine für die USA einspringen muss. Wenn das nicht passiert, ist das Schicksal der Ukraine besiegelt."

Baerbock fordert: Drei-Milliarden-Euro-Hilfsgelder freizugeben

Außenministerin Annalenna Baerbock

Äußert sich zum Eklat: Außenministerin Annalenna Baerbock

Auch Außenministerin Annalena Baerbock versicherte in einer Stellungnahme vor Journalisten, nach diesen "unsäglichen Videos aus dem Weißen Haus" unruhig geschlafen zu haben. "Leider war das kein schlechter Traum, sondern heftige Realität." Eine neue Zeit der Ruchlosigkeit habe begonnen. "Niemand sollte sich im Feind irren. Er sitzt allein im Kreml, nicht in Kiew oder in Brüssel."

"Wir müssen selbst als Europäer stärker als jemals zuvor vorangehen." Außenministerin Annalena Baerbock

Jetzt müsse man die Hilfe für die Ukraine unverzüglich ausbauen. Dazu gehöre, jetzt die blockierten Drei-Milliarden-Euro-Hilfsgelder freizugeben. Es brauche außerdem ein umfassendes europäisches Finanzpaket. Kein Blatt dürfe zwischen Deutschland die engen Partner Frankreich, Großbritannien und Polen passen. "Das gilt mit Blick auf den Ausbau der ukrainischen Luftverteidigung genauso, wie für die Lieferung weitreichender Waffensysteme zur Verteidigung." Man müsse aber genauso über einen europäischen Verteidigungsfond sprechen.

Trump-Lob aus Ungarn

Während der Streit zwischen Trump und Selenskyj in Europa eine Solidaritätswelle mit der Ukraine auslöst, fällt eine Reaktion aus Ungarn ganz anders aus. Ministerpräsident Viktor Orban lobte Trump in einem X-Pots: "Heute hat sich Präsident Donald Trump mutig für den Frieden eingesetzt. (...) Danke, Herr Präsident!"

Der polnische Präsident Andrzej Duda legt dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Wiederaufnahme von Verhandlungen mit den USA nahe. Außer den USA gebe es weltweit keine andere Macht, die die russische Aggression gegen die Ukraine stoppen könne, erklärte Duda. 

Nato-Generalsekretär: Selenskyj soll Gespräch mit Trump wiederaufnehmen

Auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte forderte den ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj zu einer Wiederaufnahme des Gesprächsfadens mit US-Präsident Donald Trump auf. "Es ist wichtig, dass Präsident Selenskyj einen Weg findet, seine Beziehung zum amerikanischen Präsidenten und zum amerikanischen Führungsteam wiederherzustellen", sagt der Niederländer Rutte der BBC. Dies habe er Selenskyj am Freitag in einem Telefonat gesagt. Das Treffen beider Präsidenten im Weißen Haus sei unglücklich verlaufen. 

Proteste in Berlin

Protest gegen Putins Politik in Berlin Demonstration

Protest gegen Putin in Berlin

Hunderte von Menschen haben am Samstag derweil in der Berliner Innenstadt gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin protestiert. Zu der Demonstration hatte unter anderem die Witwe des russischen Dissidenten Alexej Nawalny aufgerufen. "Stop Putin, Stop Trump" war auf den Protestplakaten zu lesen. Andere warnten vor "Victim blaming" gegenüber der Ukraine, der Täter-Opfer-Umkehr, wie in Trumps Vorwürfen gegenüber Selenskyj. 

Unsere Quellen:

  • Gespräch mit Roderich Kiesewetter
  • Gespräch mit ARD-Korrespondentin Susanne Peterson
  • Gespräch mit Analyst Andreas Umland
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP

Über dieses Thema berichtet der WDR am 01.03.2025 auch im Fernsehen, in der Aktuellen Stunde um 18.44 Uhr.

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