Es war das Ringen um einen Deal: Ob die USA der Ukraine weiter Unterstützung liefern, wollte US-Präsident Trump von Gegenleistungen abhängig machen: Er forderte Anteile an den wertvollen Rohstoffen, die in großen Mengen in der ukrainischen Erde stecken.
Am Freitagabend wurde bekannt, dass sich Ukraine und USA auf ein solches Rohstoff-Abkommen geeinigt hätten. Das sagte nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP in Kiew (ukrainisch: Kyjiw) ein ranghoher Vertreter der ukrainischen Regierung, der anonym bleiben wollte. Sein Land könne am Freitag das Abkommen in Washington unterzeichnen.
Die USA hätten benachteiligende Klauseln entfernt - insbesondere einen Passus, der die Ukraine zur Lieferung von Rohstoffen im Gesamtwert von 500 Milliarden Dollar verpflichten sollte. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Sonntag noch gesagt, er werde keinen Vertrag unterzeichnen, den "zehn Generationen von Ukrainern" bezahlen müssten.
Um welche Rohstoffe geht es?
Die Ukraine gilt als äußerst reiches Land, was ihre Bodenschätze angeht. Kein Land der Welt verfügt über mehr Uran, Mangan- und Eisenerze. Beim Titan- und Quecksilbererz liegt die Ukraine weltweit auf Platz zwei. Auch die begehrten "Seltenen Erden" - mit Namen wie Neodym, Praseodym, Cerium oder Dysprosium - gibt es in der Ukraine reichlich.
Diese Stoffe sind unerlässlich bei der Herstellung zum Beispiel von Elektronik wie Mobiltelefonen, Batterieteilen, medizinischer Diagnostik, in der Luft- und Raumfahrttechnik und beim Bau von Elektrofahrzeugen. Auch über Erdgas verfügt die Ukraine wie kein anderes Land in Europa außer Norwegen. Die Steinkohlereserven werden auf etwa 34 Milliarden Tonnen geschätzt und sind damit die zweitgrößten Europas.
Was bietet der ukrainische Präsident Selenskiy den USA an?
Die Idee für den Deal kommt eigentlich von Selenskyj selnbst: Schon im vergangenen Herbst hatte er den USA einen "Friedensplan" vorgelegt. Darin ging es auch um die Überlassung von Rohstoffen wie den Seltenen Erden, Uran, Titan, Lithium und Graphit - im Austausch gegen Sicherheitsgarantien der USA.
"Die Vorkommen dieser Ressourcen gehören zusammen mit unseren bedeutenden Energie- und Nahrungsmittelpotenzialen zu den wichtigsten Angriffszielen Russlands in diesem Krieg", sagte Selenskyj. Durch ein gemeinsames Abkommen könnten die USA, die EU - zu der sich die Ukraine dann auch gerne zählen würde - und andere Partner weltweit diese Ressourcen gemeinsam schützen und in sie investieren. Andernfalls, so Selenskyj, könnten diese Werte Russland zufallen und dessen Verbündete Nordkorea, China und Iran im globalen Wettbewerb stärken.
Was fordert US-Präsident Trump?
Donald Trump versuchte dann, den Wert der US-Hilfen für die Ukraine in schwindelnde Höhen zu handeln: Die USA hätten die Ukraine mit 300 Milliarden Dollar Militärhilfe unterstützt - er wolle nun 500 Milliarden Dollar von der Ukraine zurückbekommen, sagte er kürzlich. "Ich will diese Seltenen Erden sichern, und sie sind bereit dazu."
Nach Einschätzung des Militärexperten Nico Lange, Senior Fellow der Münchner Sicherheitskonferenz, waren Trumps Zahlen allerdings zu hoch gegriffen: Die Waffenhilfe aus den USA belaufe sich möglicherweise auf eine zweistellige Milliardensumme, "aber sicherlich nicht auf hunderte Milliarden", sagte Lange im ZDF.
Welche Rolle hat Russland bei einem möglichen Deal?
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte 2005 den Zusammenbruch der Sowjetunion als die "größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts" bezeichnet. Moskau habe dadurch nicht nur große Teile an Territorium und Bevölkerung verloren, sondern auch 41 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Vor allem die Einnahmen durch Rohstoffe sind eine wichtige Geldquelle für die russische Regierung, heißt es in einer Analyse der Bundeszentrale für politische Bildung. Wäre die Ukraine unter der Kontrolle Russlands, würde sie dessen wirtschaftliche Macht stark vergrößern. Als EU-Mitglied dagegen würde die Ukraine die europäischen Abhängigkeiten bei wertvollen Rohstoffen von Russland verringern. Und: Durch den Verkauf der Bodenschätze könne die Ukraine auch ihren Wiederaufbau mitfinanzieren.
Geht es wirklich um Bodenschätze?
Weltpolitik und Kriege seien meistens von geographischen Interessen gelenkt, schrieb der Experte für Außenpolitik Tim Marshall in seinem Buch "Die Macht der Geographie". So hätten sämtliche Staatschefs Russlands, "egal ob Peter der Große, Stalin oder Putin", dieselben geostrategischen Probleme für ihr Land gesehen: Die meisten Häfen sind die Hälfte des Jahres zugefroren und die nordeuropäische Tiefebene, die sich von der Nordsee bis zum Ural zieht, ist flach, "jeder kann dort einmarschieren".
Auch Militärexperte Lange sagt: Als "geopolitisch geschulter Diktator" schaue Putin immer danach, wo es Häfen oder Meereszugänge gebe - oder eben Rohstoffe. Russland führe diesen Krieg, weil Putin "die Sicherheitsordnung in Europa fundamental verändern möchte." Dafür brauche er ein großes Russland, einschließlich der Ukraine, und auch deren reiche Rohstoffe.
"Das ist klassische Geopolitik, so denken auch die Amerikaner", sagt Lang. "Wir Deutschen sind dagegen nicht geübt darin, diese geopolitischen Interessen in unsere Außen- und Sicherheitsinteressen zu übersetzen."
Er finde es "plausibel", dass Staaten in solchen Situationen über ihre Interessen sprechen und sich dann darüber einigen. In der deutschen Außenpolitik dagegen sähe es meist so aus, als hätte Deutschland gar keine Interessen und sei "nur zur Unterstützung des Guten, Wahren und Schönen unterwegs - was auch für Deutschland, glaube ich, so nicht stimmt".
Was tut Europa?
Bislang würden die Europäer nur "sitzen und warten", statt sich an den Verhandlungstisch zu "drängeln", findet Nico Lange. Dabei sei es aus seiner Sicht "keine Schande", wenn die Europäer mit ihrer Zusage, beim Wiederaufbau der Ukraine zu helfen, auch Forderungen verbinden würden. Die EU solle klar äußern, dass auch europäische Unternehmen daran beteiligt sein sollen. "Wenn man so offen darüber spricht, kommt man vielleicht schneller voran, als wenn man immer nur so tut, als wäre man aus moralischen Gründen unterwegs", meint Lang, "das stimmt weder für die USA noch für uns zu 100 Prozent".
Unsere Quellen:
- Interviews mit Militärexperten Nico Lange in ARD und ZDF
- Bundeszentrale für politische Bildung: "Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung"
- Nachrichtenagentur dpa