Warum auf Landstraßen so viele Menschen sterben - Verkehrsunfallbilanz

485 Menschen sind im vorigen Jahr auf den Straßen von NRW ums Leben gekommen - das sind 35 mehr als im Jahr zuvor. So steht es in der Verkehrsunfallbilanz des Innenministeriums für das Jahr 2024.

Besonders von schweren Unfällen betroffen sind Landstraßen - allein dort starben voriges Jahr in NRW 222 Menschen, 2.749 wurden laut Innenministerium schwer verletzt.

Es gibt mehr Tote, obwohl die Zahl der Unfälle auf Landstraßen im Jahr 2024 laut NRW-Innenministerium auf Landstraßen insgesamt leicht zurückging.

Warum sind Landstraßen so ein Schwerpunkt für Unfälle und was kann dagegen helfen? Das sagen Experten aus der Unfallforschung.

Wie sind die Unfallzahlen für Landstraßen?
Welche Rolle spielt Geschwindigkeit bei Unfällen auf der Landstraße?
Welche Rolle spielen Kontrollen?
Was bringen Bußgelder?
Was bringt Tempo 80 auf Landstraßen?
Wie hat sich der Verkehr verändert?
Wie können wechselnde Überholspuren Landstraßen sicherer machen?
Was bringt die Zukunft?
Drink und drive - welche Rolle spielen Alkohol und Drogen?

Warum sind Landstraßen so gefährlich?

Es gibt mehrere Gründe - genau genommen sei es eine Kombination verschiedener Faktoren, erklärt Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV): "Landstraßen sind oft kurvig und bieten häufig schlechte Sicht für Autofahrer. Dazu kommt, dass die Fahrbahnen meist schmal sind, was das Fahren erheblich erschwert." Besonders gefährlich sind Überholmanöver.

"Viele der schweren Unfälle passieren, wenn Fahrer zu riskant überholen und frontal mit entgegenkommenden Fahrzeugen zusammenstoßen", so Zeidler. Ein weiteres erhebliches Risiko stellen Bäume am Straßenrand dar. "Wenn ein Fahrzeug von der Straße abkommt und gegen einen Baum prallt, sind die Folgen meist fatal - solche Kollisionen enden überdurchschnittlich oft tödlich."

Welche Rolle spielt Geschwindigkeit bei Unfällen auf der Landstraße?

Geschwindigkeit spielt bei Unfällen auf der Landstraße laut UDV eine große Rolle. Tempo könne auch dann schon ein Problem sein, wenn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten wird.

"Wir reden immer über Tempolimits, aber die Masse der Unfälle, passiert wegen nicht angepasster Geschwindigkeit." Kirstin Zeidler, Leiterin Unfallforschung der Versicherer

Zeidler sagt, viele seien für die jeweilige Situation zu schnell unterwegs. Schlechte Sicht oder nasse Fahrbahn etwa heißt: runter vom Gas. Das machten aber viele nicht. Gleichzeitig fahren auf Landstraßen viele offenbar schneller als erlaubt. Bei einer ADAC Untersuchung im Jahr 2021 gab etwa jeder Zweite an, auf Landstraßen schneller als zulässig zu fahren.

Welche Rolle spielen Kontrollen?

Kontrollen können dazu führen, dass sich Fahrer an Regeln halten. Aber es gebe zu wenig Kontrollen. Kirstin Zeidler von der UDV sagt: "Wir müssen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, bei Verstößen entdeckt zu werden."

Denn trotz Geschwindigkeitsbegrenzungen und Überholverboten an Unfallschwerpunkten zeigten Befragungen: Viele Verkehrsteilnehmer hielten sich nicht an diese Regeln. "Die Menschen wollen schnell von A nach B kommen - und da gibt es eine ganze Reihe, die sich nicht an Regeln hält, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass sie nicht erwischt werden."

Was bringen Bußgelder?

"Bußgelder zeigen in Deutschland nur begrenzte Wirkung, weil sie vergleichsweise niedrig seien", sagt Zeidler von der Unfallforschung der Versicherer. Daher ist die UDV nicht allein für höhere Bußgelder. Sie rät zu Punkten in Flensburg. Die wirkten stärker als Geldstrafen, da sie unabhängig vom Einkommen sind.

Was bringt Tempo 80 auf Landstraßen?

Manfred Wirsch ist Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR). Er sagt: "Tempo 80 auf Landstraßen würde sofort Leben retten." Mit niedrigeren Geschwindigkeiten könnte man die Schwere von Unfällen deutlich reduzieren. Der DVR fordert für enge Landstraßen ein Tempolimit von 80 km/h. Das solle aber nicht für breite, autobahnähnliche Landstraßen gelten.

Wie hat sich der Verkehr verändert

Laut Unfallforschung der Versicherer werden in Deutschland immer mehr Autos zugelassen, aber: Die Fahrleistung liege insgesamt noch unter dem Vor-Corona-Niveau. Das heißt: Die Menschen fahren weniger, zum Beispiel, weil sie teils noch im Homeoffice sind oder digital konferieren.

Bei Lkw dagegen sei die Fahrleistung laut UDV gestiegen, etwa, weil Menschen auch nach der Pandemie mehr bestellten. Das habe auch Auswirkungen auf den Verkehr der Landstraßen. Auch dort seien deshalb mehr Lkw und Transporter unterwegs.

Wie können wechselnde Überholspuren Landstraßen sicherer machen?

Es brauche mehr Landstraßen mit wechselnden Überholspuren, sagt die Unfallforschung der Versicherer. Konkret geht es um sogenannte zusätzliche Fahrspuren in wechselnde Richtungen, die sicheres Überholen möglich machen. "Das müsste mit Hochdruck mehr passieren", sagt Zeidler.

Sollten Umbauten nicht realisierbar sein, seien an kritischen Stellen Überholverbote und punktuelle Geschwindigkeitsbegrenzungen eine Alternative, um die Unfallgefahr zu reduzieren.

Was bringt die Zukunft?

Für mehr Sicherheit auf Landstraßen setzen einige Hersteller schon auf technische Innovationen wie die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation (Vehicle-to-X). Die Technik kann zum Beispiel vor Gefahren hinter einer Kurven warnen. Zeidler von der Unfallforschung der Versicherer sagt: "Wir sprechen uns stark dafür aus, so eine Technik verbreitet einzubauen. Das macht den Verkehr sicherer."

Drink und drive - welche Rolle spielen Alkohol und Drogen?

Ein WDR-Reporter traf im Herbst 2024 junge Leute, die am Wochenende in der Großraumdiscothek Himmerich im Kreis Heinsberg feierten. Viele kamen mit dem Auto. "60 Prozent der Leute, die mit dem Auto da sind, fahren später besoffen", mutmaßte ein junger Mann.

Es gab zwar einen Discobus, der wurde aber nicht gut angenommen. Auf den Aspekt Unfälle nach Partys und mit jungen Menschen ging das Innenministerium bei der Vorstellung der Ergebnisse der Verkehrsunfallbilanz aber nicht ein.

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