Kunst im Knast: Wie Gefangene in der JVA Brackwede sichtbar werden

Stand: 31.10.2024, 18:49 Uhr

In der JVA Brackwede in Bielefeld haben 80 Inhaftierte während der Knastkulturwoche gemalt und gebastelt.

Von Christina Joswig

Was im Knast passiert, hinter Gittern und Zäunen, ist für Außenstehende nicht sichtbar. Wer dort lebt, ist auch nicht sichtbar. Das will die JVA Brackwede ändern - und hat an der NRW-weiten Knastkulturwoche teilgenommen.

Maltisch statt Zelle

Vier Tage lang haben 80 Gefangene im geschlossenen Vollzug nicht in ihren Zellen verbracht, sondern am Maltisch. Viel hatten sie nicht zur Verfügung: Farbe, Kleister, Styopor. Aber es reichte, um kreativ zu werden.

"Das war eine besondere Woche. Wir haben einfach Kunst gemacht und dürfen sie jetzt zeigen", sagte einer der Gefangenen. Jede Abwechslung sei ihm willkommen.

Gefühle und Ängste abbilden

Das Motto war "Sichtbar sein". Dabei konnten alle frei entscheiden, wie viel sie von sich zeigen wollten. Viele haben Köpfe oder Gesichter aus Pappmarsché geformt, andere haben Collagen erstellt oder Bilder gemalt.

Auf dem Bild eines jungen Mannes ist eine Frau zu sehen. Sie ist hinter Gittern, ihr Blick geht Richtung Außenwelt. "Die Frau hat Angst vor dem Licht, Angst vor der Freiheit", erklärt er.

Eines der Kunstwerke | Bildquelle: WDR

Genau wie die Frau auf dem Bild habe auch er Angst vor der Freiheit. Seit zwei Jahren sitzt er im Knast und fragt sich, wie sich die Welt verändert hat.

Keine Vorgaben und Raum für Kreativität

Lehrerin Leoni Kuhnle hat die Knastkulturwoche organisiert und betreut. Sie ist fasziniert, wie viel Ehrgeiz die Gefangenen beim Schaffensprozess entwickelt haben. "Wir haben viel Freiheit gelassen und wenig vorgegeben, und sie haben einfach gemacht. Das war sehr wertvoll, was hier passiert ist", sagt sie.

Insgesamt neun Projektgruppen gab es. Was die Inhaftierten machen wollten, darüber haben sie vorher abgestimmt. Es gab auch eine Back- und eine Kochgruppe.

Große Kunstausstellung vor Publikum

In der JVA Brackwede haben Gefangene Kunstobjekte ausgestellt | Bildquelle: WDR

Gesehen werden - das sollte die Kulturwoche erreichen. Deswegen durften die Inhaftierten ihre Kunstwerke ausstellen und sie anderen Gefangenen, Besuchern und Mitarbeitenden zeigen. Gemeinsam haben sie gelacht, gesprochen und manchmal auch gerätselt, was das ein oder andere Objekt darstellen soll.

Nicht die Perfektion stand im Vordergrund, sondern die Gemeinschaft und das Erfolgserlebnis. Das, was die Gefangenen über den Umgang miteinander lernen, soll ihnen auch nach der Haft helfen, sagt Leoni Kuhnle.

Die Kunstwerke der Gefangenen sollen nicht wieder verschwinden. Die JVA will sie irgendwo in der Bielefelder Innenstadt für alle sichtbar ausstellen.

Unsere Quellen:

  • JVA Brackwede
  • Gespräche mit Gefangenen und der Betreuerin
  • Reporterin vor Ort

Über dieses Thema berichten wir am 31.10.2024 auch im WDR Fernsehen in der Lokalzeit OWL.